Montag, 15. Juni 2009

Der ökonomische Versuchsballon Schweinegrippe: What's next: Katzengrippe, Rattengrippe?

Mit der Verkündung der höchsten Pandemie-Warnstufe 6 hat die WHO den Impfstoff-Herstellern das erwartete Signal gegeben, für den Herbst eine eigene Schweinegrippe-Impfung vorzubereiten. Massen-Bestellungen aus verschiedenen Ländern - allen voran den USA - treffen bereits ein. Künftig wird es also für die Freunde der Grippe-Impfung die Möglichkeit geben, zwei Produkte zu kaufen. Warum aber bei zwei aufhören? Der Marktphantasie sind kaum Grenzen gesetzt.

© David Dees (2) Creative Commons

Der Wirtschafts-Pressedienst Bloomberg wusste bereits zu Monatsbeginn, dass die WHO die höchste Warnstufe ausrufen wird. Und vielleicht würden wir uns alle beim Verständnis des Phänomens Schweinegrippe leichter tun, wenn wir die eigenartigen Vorgänge ganz einfach aus der Perspektive der Wirtschaftsforscher und Markt-Analysten betrachten. Denn aus medizinischer-wissenschaftlicher Sicht ist die Affäre ähnlich ergiebig wie die Frage, ob Schweinebauern bei gesteigerter Flatulenz ihrer Tiere möglicherweise ein höheres Lungenkrebs-Risiko fürchten müssen.

Wenn es tatsächlich die Aufgabe der WHO ist, im Falle des Auftretens von viralen Infektionen auf verschiedenen Erdteilen Pandemien auszurufen, warum beschränkt sich dies auf die Influenza?
Warum gilt dies nicht auch für Schnupfenviren, deren Bedrohungspotenzial durchaus mit den großteils mild verlaufenden H1N1-Infektionen vergleichbar ist?
Warum wird die WHO nicht auch bei vermehrtem Auftreten des Respiratory-Syncitial-Virus aktiv? RS-Viren sind weltweit verbreitet und verursachen deutlich mehr Erkrankungen als Influenza-Viren. Bei Kindern sind die Verläufe zudem meist ernster als bei Influenza. Und da sprechen wir jetzt nicht von der aktuellen "Gripperl-Pandemie", sondern von der normalen Influenza, die in manchen Jahren ja tatsächlich enorm zu wüten vermag.
Warum aber spricht keiner der WHO Experten von der tatsächlich existierenden Gesundheitsgefahr im Zuge einer RSV-Infektion?

Um diese Fragen schlüssig beantworten zu können, ist es eben nötig, eine nüchtern-ökonomische Sichtweise einzunehmen.
Gegen Schnupfen- oder RS-Viren gibt es keine Medikamente, auch keine Impfungen. Es gibt auch kein mit Milliarden-Aufwand betriebenes weltweites Viren-Überwachungs-System mit Aberhunderten von spezialisierten Experten.
Bei Influenza gibt es all das hingegen schon.

Außerdem wurde in den letzten fünf Jahren - rund um die Vogelgrippe - ein derartiges Pandemie-Getöse abgehalten, dass die meisten Industrieländer eigene Alarmpläne ausgearbeitet haben, die auf WHO-Zuruf anlaufen. Die höchste Pandemie-Warnstufe scheint demnach auch ein erster Test, ob sich die Marketing-Kampagne bereits jetzt kommerziell verwerten lässt, oder ob an der Inszenierung noch gefeilt werden muss. Einige Knöpfe im weltweiten Medienkonzert lassen sich wohl noch drücken. Einige Lautstärke-Regler sind noch nicht am Maximum.
Dies alles auszutesten wird die aktuelle Übung wertvolle Hinweise liefern.

Fachliche Einwände gegen die Ausrufung der höchsten Pandemie-Warnstufe waren bislang selten. Und wenn, dann kamen sie nicht von Gesundheitspolitik oder Medizin-Experten, sondern ebenfalls wieder von Wirtschafts-Seite.
Die Ausrufung der höchsten Pandemie-Warnstufe sei riskant, hieß es. Man möge die Auswirkungen einer möglichen Hysterie auf die ohnehin angeschlagene Weltwirtschaft bedenken. Reise- und Handels-Beschränkungen, wie sie in vielen Alarmplänen vorgesehen sind, wären der Erholung der Konjunktur nicht gerade förderlich.


Der absolute Clou: Cat-Flu!

Dem steht die Aussicht gegenüber, künftig vielleicht in jedem Jahr zwei statt einen Influenza-Impfstoff verkaufen zu können. Die Umstellung von der mühsamen Anzucht der Viren auf befruchteten Hühner-Eiern zur neuen Technologie der Züchtung des Impfstoffes auf Zellkulturen braucht Tests, um Schwachstellen zu erkennen und die Methode in der Praxis zu optimieren. Doch wenn die Zellkultur-Technologie einmal reibungslos läuft, wären hier weitere ungeahnte Neu-Entwicklungen möglich.

Eine Impfung gegen Katzen- oder Rattengrippe beispielsweise. Hier würden sogar mittelmäßig begabte PR-Fachleute eine passable Umsatz fördernde Hysterie zustande bringen.

1 Kommentar:

  1. Siehe auch: Jefferson T. Pneumococcal vaccines: confronting the confounders. The Lancet. 373 June 13, 2009.

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