Mittwoch, 28. Dezember 2011

Essen ohne Tiere

Für die Sendereihe kreuz & quer habe ich einen Film zum Thema "Anständig essen" gemacht, in dem es um die individuellen Beweggründe für Ernährung geht. Wir porträtieren drei Familien mit ihren Hauptmotiven "Tierliebe", "Gesundheit" und "Nahrungsmittelqualität".

kreuz und quer: zur Sendung

Bei der vegan lebenden Familie Richter aus der Steiermark entstand der Entschluss, strikt auf alle Tierprodukte zu verzichten, aus der Beschäftigung mit den Zuständen in Tierfabriken.
Familie Knotzer hält auf ihrem Hof eine Schar Hühner. Sobald die Hähne erwachsen sind, beginnen sie zu kämpfen und so stellte sich bald die Frage, ob es das Ehepaar schaffen würde, die Tiere zu schlachten.
Familie Zoubek betreibt im niederösterreichischen Marchfeld einen Biohof. Auf den Feldern wird auf 80 Hektar Gemüse angebaut. Für Sigrid Zoubek, die den Hof vor 15 Jahren von ihren Eltern übernommen hatte, war es ein wichtiges Anliegen, von der auf Kunstdünger- und Pestizid gestützten Produktion weg zu kommen und einen gesunden Boden zu erhalten.
Als Rahmenhandlung dient ein interkonfessionelles Abendessen im Waldviertler Stift Geras, bei dem "Kräuterpfarrer" Benedikt Felsinger mit der Hinduistin Anita Sahni über religiös motivierte Nahrungsmittel-Tabus spricht.
Der Film wurde gestern auf ORF 2 ausgestrahlt und ist noch zwei Wochen in der TVthek abrufbar.

Samstag, 26. November 2011

Komplikationen bei Windpocken: eine These

Immer wieder ist von heftigen Windpocken die Rede, welche den Kindern wochenlang zu schaffen machen, die Kinder mit unglaublich vielen Pusteln am ganzen Körper entstellen und schwer abheilen. Möglicherweise haben diese Reaktionen eine Ursache, die bisher unbeachtet blieb.

Auffallend ist nämlich, dass viele dieser Kinder davor eine 6-fach oder sonstige Impfung mit den üblichen Adjuvantien erhalten haben. Diese Wirkverstärker sind in etwa zwei Drittel der Impfungen enthalten (z.B. FSME, Pneumokokken, Meningokokkem). Die geläufigsten Adjuvantien sind Aluminiumhydroxid und Aluminiumphosphat.
Bei Kindern, welche davor keine derartigen Impfungen erhalten haben, verlaufen die Windpocken normalerweise mild. Ich halte es deshalb für wahrscheinlich, dass das Risiko auf Komplikationen und ernsthafte Verläufe bei Windpocken ansteigt, wenn die Kinder davor adjuvierte Impfstoffe erhalten haben.

Falsche Reaktion des Immunsystems
Es ist bekannt, dass die üblichen Wirkverstärker die Immunantwort in Richtung einer Th2-Antwort manipulieren. - Windpocken-Viren werden vom Immunsystem, so wie zahlreiche andere Infekte, normalerweise jedoch mit einer Th1-Antwort bekämpft. Nach vorangegangener 6-fach Impfung ist aber nicht mehr gewiss, dass das Immunsystem den Viren mit der - im Lauf der Evolution eingespielten - besten Methode begegnet, sondern mit einer weniger gut geeigneten. Daraus folgt, dass sich die Viren über einen längeren Zeitraum vermehren können und größere Schäden anrichten.

Bei dieser Erklärung handelt es sich um eine These, die ich für recht wahrscheinlich halte und die durch zahlreiche Indizien gestützt wird. Dass Aluminium-haltige Adjuvantien die Immunantwort in Richtung einer Th2-Antwort manipulieren, kann in den meisten Immunologie-Lehrbüchern nachgelesen werden. Dass die Th2-Polung des Immunsystems nicht sofort nach der Impfung aufhört, sondern noch Wochen und Monate andauern kann, zeigen zahlreiche Studien z.B. (Aaby P., Boelen A. etc.)

Prof. Peter Aaby, der seit drei Jahrzehnten das Bandim Health Project in Guinea Bissau leitet, hat es in seinem Umfeld seit einigen Jahren zur Regel gemacht, dass alle Kinder zu ihrem Schutz - als letzte Impfung im Babyalter - eine Impfung erhalten sollten, welche das Immunsystem wieder Richtung Th1 Antwort zurück polt.
Diese Maßnahme hat einen sehr ernsthaften Hintergrund: Aaby und seine Mitarbeiter haben in zahlreichen Studien heraus gefunden, dass Kinder nach Tetanus-Diphtherie-Keuchhusten-Impfungen ein deutlich erhöhtes Krankheits- und Sterberisiko haben. Die geimpften Kinder erkranken danach wesentlich häufiger und ernsthafter an Tropenkrankheiten wie Malaria, oder an Infekten, die zu Lungenentzündungen oder Durchfall führen. Viele Jahre intensiver Forschung waren notwendig, bis Aaby entdeckte, welcher Mechanismus diese dramatischen Folgen erklären könnte. Als wahrscheinlichste Antwort kam er eben auf die Veränderung der Immunreaktion und die daraufhin geschwächte Abwehrkraft.

"Gute" Impfungen, welche die Abwehrkräfte stärken, gibt es jedoch auch. Dazu zählt z.B. die alte Tuberkulose-Impfung (BCG), die in Europa allerdings nicht mehr verwendet wird. Vor allem aber die Masern, bzw. die MMR Impfung. Diese Impfung ist imstande, neben ihrem Schutz vor Masern, Mumps und Röteln - auch die negativen Auswirkungen der vorangegangenen Impfungen auf das Immunsystem halbwegs zu neutralisieren.
Peter Aaby hat dazu nun einige Studien initiiert und erste Ergebnisse zeigen, dass negative Effekte deutlich verringert werden können.
Natürlich würde sich Prof. Aaby wünschen, dass das Impfkonzept der WHO, aber auch die immer größer werdenden Privat-Initiativen wie jene der Bill & Melinda Gates Stiftung, einmal grundsätzlich evaluieren würden, ob ihre Kampagnen beim Nutzen für die Gesundheit der Kinder überhaupt noch positiv bilanzieren, oder ob sie nicht eigentlich inzwischen mehr Schaden anrichten.
Bei diesen Organisationen besteht jedoch bislang keinerlei Bereitschaft, ihre Tätigkeit kritisch zu prüfen und schlechte Impfungen aus dem Programm zu eliminieren.

Wer prüft die langfristigen Impffolgen?
Empirisch überprüft wurde die These, dass Windpocken in zeitlicher Abfolge nach 6-fach Impfung komplikationsreicher verlaufen, meines Wissens bisher noch nicht. Dies liegt daran, dass diese Art von Forschung keinen kommerziellen Zwecken dient und sich von den Impfstoff-Herstellern nicht zu Geld machen ließe.
Im Gegenteil: wenn sich diese These bestätigt, würde das Unruhe auslösen und Geld kosten. Sechsfach- und sonstige adjuvierte Impfungen sowie die derzeit verwendeten Wirkverstärker würden in Verruf kommen. Die Hersteller wären gezwungen, viel Geld und Energie in die Forschung nach verträglicheren Adjuvantien zu investieren. Und das erscheint der Industrie wohl nicht gerade als eine lohnende Aussicht.

Wer darauf hofft, dass unsere Gesundheitsbehörden oder sonstige unabhängige Stellen einspringen, kann ebenso gut auf Godot warten. Von unabhängiger Seite wird leider nur sehr selten Geld in Impfstoff-Forschung und Impfstoff-Sicherheit investiert, da sich die Behörden eher als Bewahrer des "Impfgedankens" sehen. Die Abwicklung der Token-Studie zur Abklärung des Sterberisikos nach Sechsfachimpfung durch das Robert Koch Institut ist dafür ein gutes Beispiel.

Meist wird tunlichst alles unterlassen, was den Glorienschein des Impfens anpatzen könnte. Das ist - im Sinne der Impfstoffsicherheit - sehr ärgerlich und auch verantwortungslos, so ist es aber leider.

Sonntag, 9. Oktober 2011

Ein ansteckendes Rätsel

Noch immer weiß niemand eine Antwort auf die alte Frage, warum wir gähnen.



Gähnen ist hoch infektiös. Keine andere Tätigkeit ist so ansteckend, regt derart zur unwillkürlichen Nachahmung an. Es kann genügen, darüber zu lesen, und schon erfolgt das berühmte „tiefe Einatmen mit weit geöffneter Stimmritze, typischerweise mit geöffnetem Mund, oft begleitet von Bewegungen der Arme“, wie das Gähnen im Lexikon beschrieben wird.
Wer andere gähnen sieht, gähnt selbst. Blinde gähnen, wenn sie Gähngeräusche hören. Wenn sie jetzt gähnen müssen und ein Hund anwesend ist, dann gähnt er wahrscheinlich mit. Das ist empirisch belegt. Biologen der Universität London ließen 29 Hunde von Versuchspersonen angähnen. 21 Hunde gähnten zurück. Das ist eine Rückgähnquote von fast 75 Prozent. Allerdings war es dafür notwendig, richtig echt zu gähnen. Wenn die Vorgähner nur den Mund öffneten, ohne typisches Gähngeräusch, ließ sich kein einziger Hund inspirieren.

Die Wissenschaft vom Gähnen (Oszitation) heißt Chasmologie. Unzählige Chasmologen haben sich im Lauf der Jahrhunderte dem Geheimnis der Oszitation gewidmet. Doch trotz aller Anstrengungen ist es ihnen bisher nicht gelungen, den Kern ihrer Forschung aufzuklären: Warum gähnen wir eigentlich. Was hat das für einen Zweck?
Sollte Gähnen eine soziale Bedeutung haben? Der deutsche Ethnologe Karl von den Steinen stellte 1890 seine These vor, dass ansteckendes Gähnen die Müdigkeit in einer Gruppe verteilt, um den Schlafrhythmus zu synchronisieren. Doch genügt dafür nicht auch die Dämmerung?

Etwa zur selben Zeit spekulierten Mediziner, dass Abfallprodukte von Bakterien im Verdauungstrakt das Gähnen hervorrufe. Andere hielten es für Gymnastik der Atemorgane oder für eine Methode dem Gehirn mehr Sauerstoff zu verschaffen. Das wurde jedoch in einem Versuch widerlegt, in dem eine Gruppe reinen Sauerstoff zum Atmen erhielt. Diese Probanden gähnten jedoch genauso oft wie die anderen.
Eine neue These des US-Biologen Andrew Gallup besagt, dass Gähnen dazu dient, das Gehirn zu kühlen. Zur Untermauerung beobachtete Gallup Wellensittiche, die bei Wärme signifikant häufiger gähnten. Doch die Fachwelt reagierte skeptisch. Für Vögel mag die Kühlungstheorie ja noch einleuchten, Menschen haben jedoch Schweißdrüsen, die wesentlich effizienter Kühlung verschaffen.

Und was ist mit den Giraffen? - Während fast alle kaltblütigen und warmblütigen Tiere nach demselben Muster gähnen, egal ob Fische, Vögel oder Säugetiere, bleibt ausgerechnet die Giraffe abstinent. So lange man auch wartet, sie gähnt nicht.
Und somit bleibt die Chasmologie ein schwieriges, oft auch frustrierendes Fach. Zumal auch die Forschungsförderung auf niedrigem Niveau dümpelt. Denn während exzessives Gähnen lästig sein mag, so ist es doch nicht gefährlich. Und im Normalfall lässt es sich damit gut leben. Auch wenn nach wie vor niemand weiß, worum es dabei gähnt.

Dieser Artikel erschien im Rahmen der Coverstory "Wach im Schlaf" des Nachrichtenmagazins profil. (Foto: Jim Champion/Wikimedia Commons)

Leistungsschlaf


Neue Erkenntnisse der Schlafforschung zeigen, dass im Organismus zur Nachtzeit alles andere als Ruhe herrscht. Während das Gehirn die Eindrücke des Tages verarbeitet, rücken die Zellen der Immunabwehr zum nächtlichen Systemservice aus. Moderner Lifestyle gefährdet jedoch die Arbeit der Nacht.
„Stefan hatte scheinbar schon einige Jahre investiert, seinen Schlaf/Wach-Rhythmus systematisch zu ruinieren“, sagt der Schlafforscher Gerhard Klösch von der Univistätisklinik für Neurologie an der Meduni Wien. Stefans Vater hatte den 17jährigen Gymnasiasten im Juli im Schlaflabor des AKH-Wien vorgestellt, weil er absolut nicht mehr weiter wusste: Nachts konnte sein Sohn nicht schlafen, erzählte der Vater. „Jeden Morgen war es ein Drama, ihn aus dem Bett zu bringen. Die Lehrer sagten, dass er im Unterricht häufig wegdöst.“

Stefans Abschlusszeugnis 2011 war so katastrophal, dass die geplante Matura im nächsten Jahr in weite Ferne rückte. Einige Nächte im Schlaflabor zeigten die hormonellen Ursachen und Konsequenzen dieser Schlafstörung: „Stefan hatte nach Mitternacht, wo das Stresshormon Cortisol normalerweise den Tiefpunkt erreicht, gleichbleibend hohe Werte“, berichtet Klösch. Das Schlafhormon Melatonin wurde hingegen nur in geringen Mengen produziert. Auf ebenso tiefem Niveau bewegt sich die Aktivität des Immunsystems, das im Hormon Cortisol einen mächtigen Gegenspieler hat. Die für die Regulierung des Appetits zuständigen Hormone Ghrelin und Leptin schwankten stark und Wachstumshormone waren überhaupt kaum nachweisbar. „Das ist speziell bei Jugendlichen alarmierend, weil ja der Schlaf die Zeit des Wachsens ist“, sagt Klösch.
 Über die Sommermonate erarbeitete Klösch mit Stefan und dessen Eltern ein strenges Programm der Verhaltensanpassung. Computerspiele waren nur noch an drei Tagen pro Woche erlaubt, um ein Uhr nachts war spätestens Schluss. Das Handy durfte nicht ins Bett mitgenommen werden, Energy-Drinks wurden gestrichen. „Derartige Probleme bei Jugendlichen werden immer häufiger“, sagt Klösch, „Schlaf wird als Feind gesehen, der sie am spannenden Leben hindert.“

Auch in der Wissenschaft war der Schlaf lange ein Phänomen voller Rätsel: Warum hat die Evolution trotz aller damit verbundenen Risiken diese Phase eingeführt, wo die Lebewesen schutzlos den Feinden ausgeliefert sind. Was gewinnen wir mit dem Schlaf? Lange Zeit wurde die nächtliche Ruhephase als simpler Standby Modus betrachtet, in dem der Stoffwechsel auf Sparflamme läuft und das Bewusstsein abgeschaltet ist: eine Zeit der Erholung von den Mühen des Tages. Doch warum werden Faulpelze genauso müde wie emsige Hackler?
„Wenn es allein nach dem Körper ginge, müssten wir gar nicht schlafen“, sagt die Schlafforscherin Birgit Högl vom Institut für Neurologie der Medizinischen Universität Innsbruck. „Da würde nämlich eine simple Rastpause den selben Zweck erfüllen.“ Das belegen Experimente: Sogar nach fünf schlaflosen Tagen zeigen Versuchspersonen auf dem Laufband oder dem Fahrrad-Ergometer noch erstaunlich gute Leistungen. Im Kopf stehen sie allerdings schon am Rande des Wahnsinns. 
Schlafentzug wurde denn auch quer durch die Zeiten als Foltermaßnahme eingesetzt. Bereits im alten China galt dauerhafter Schlafentzug als besonders strenges und gefürchtetes Todesurteil. Und in dem von den USA betriebenen Gefangenenenlager Guantanamo auf Kuba wurde routinemäßig versucht, Häftlinge durch Schlafentzug vor Verhören zur Kooperation oder zu Geständnissen zu bewegen. „Schlaf ist vor allem ein Bedürfnis des Gehirns“, erklärt der Münchener Wissenschaftsautor Tobias Hürter, der mit seinem Buch „Du bist, was du schläfst“ nun eine aktuelle Bestandsaufnahme der internationalen Schlafforschung vorgelegt hat.
Und so ist die Suche nach den Geheimnissen des Schlafs zu einem guten Teil auch die Erforschung unseres wichtigsten Organes, des Gehirns. Das Denkorgan verbraucht ein Fünftel unseres Umsatzes an Energie und Sauerstoff zeigt sich, dass es im Schlaf mindestens genau so aktiv ist wie tagsüber während der Wachphase. Die Ressourcen, die dabei zur Verfügung stehen, sind unermesslich. „Ein einziges Gehirn“, sagt Hürter, „hat so viele neuronale Verbindungen, wie die gesamte Menschheit Haare auf dem Kopf.“

 Dass wir nun jede Nacht ausreichend Schlaf benötigen, liegt in erster Linie an der Funktionsfähigkeit dieses Wunderwerks. Schon tagsüber befasst sich das Gehirn nur am Rande mit äußeren Reizen. Diese sind zwar wichtig und werden natürlich auch wahr genommen und gespeichert. „Ein großer Teil seiner Aktivität – 60 bis 80 Prozent seines Energieverbrauches – tritt aber in Schaltkreisen auf, die nichts mit äußeren Ereignissen zu tun haben“, sagt der US-Neurologe Marcus Raichle. Im Gehirn herrscht ein niemals verstummendes Stimmengewirr. Alle Areale rufen gewissermaßen durcheinander, sodass es recht aufwändig , in dieses Chaos Ordnung zu bringen. Im Schlaf wird aufgeräumt.
Abseits des Bewusstseins arbeitet das Gehirn auf Hochtouren weiter, allerdings anders als im Wachzustand. Die Aktivitätsmuster ändern sich, und manchmal klinken sich Gedächtnis-Systeme aus, was unsere Erinnerungslücken im Traum erklärt. Dann wieder macht die allzeit vernünftige Großhirnrinde Pause, weshalb im Schlaf manchmal die bizarrsten Ideen auftauchen. Das Ruhenetzwerk entkoppelt sich von der Außenwahrnehmung, die inneren Stimmen bekommen mehr Gewicht.

Schlafforscher teilen die Nachtruhe in drei Stufen ein: das Dösen beim Einschlafen. Den Leichtschlaf, in dem wir etwa die Hälfte der Nacht – besonders den zweiten Teil hin zum Morgen verbringen und sehr viel träumen. Schließlich den Tiefschlaf, den der Organismus nach dem Einschlafen auf kürzestem Weg aufsucht und in dem das Gedächtnis neu justiert wird. In dieser ganz auf sich selbst konzentrierten Phase des Schlafes kommt es zu einer Art Zwiegespräch zwischen mehreren Hirnarealen.
Die Inhalte werden nicht wie bei einem Computer schlicht gespeichert, denn dadurch würde sich zu viel Datenmüll ansammeln. Stattdessen werden Informationen aufgerufen, bewertet, durchgespielt und dann neu zusammen gesetzt. Erlebnisse, die emotional zu schwach bewertet sind, verschwinden nach und nach aus dem Gedächtnis und machen Platz für Neues.
In diesem Bereich sehen Lernforscher einen wichtigen Ansatz für den idealen Unterricht: Informationen, die nicht mit Gefühlen – am besten positiven – besetzt sind, bleiben kaum im Gedächtnis haften, sondern verlieren sich rasch.

An die meisten Träume erinnert sich der Mensch nicht. Viele gleichen Gedankenblitzen und dauern nur ein bis zwei Sekunden. Länger und ereignisreicher sind die Träume in den REM-Phasen der zweiten Nachthälfte. Dabei bewegen sich die Augen („rapid eye movement“), als ob sie einem lebhaften Geschehen folgen würden. Und das tun sie auch, wie die aktuelle Forschung zeigt. Über Gehirnsignale werden auf der Netzhaut tatsächlich Traumbilder erzeugt. Zusammen genommen träumt der Mensch pro Nacht rund 60 bis 90 Minuten.
Jahrzehntelange Diskussionen befassten sich mit dem Zweck der REM-Phase. Prominente Schlafmediziner wie etwa Jan Born, Leiter der Abteilung für klinische Neuroendokrinologie der Universität Lübeck, bekennen offen, dass sie keine Erklärung dafür haben, wozu diese Phase des so genannten „paradoxen Schlafes“ gut sein soll.
Nun scheint es, als wäre eine halbwegs anerkannte, nachvollziehbare Erklärung gefunden. Sie geht auf den US-amerikanischen Neurowissenschafter Jonathan Winson zurück, einem gelernten Flugzeugingenieur, der das Fach wechselte, weil er die Entschlüsselung der Rätsel des Gehirns für die größere technische Aufgabe hielt. Winson ging in die Traumarchive und analysierte tausende von protokollierten Träumen aus allen Kulturkreisen. Dabei fiel ihm auf, dass sich die Träume in der REM-Phase dadurch auszeichnen, dass es dabei thematisch fast immer um Leben und Tod geht. Über alle Zeiten und Kulturen hinweg ist die Verfolgungsjagd das häufigste Traumszenario. Winson war überzeugt, dass in diesen Träumen das Gehirn seine Überlebenskünste schärft. Im REM-Schlaf werden also Gefahrensituationen geübt, die evolutionär bedeutsam waren. Winsons Idee ist unter Schlafforschern mittlerweile fast mehrheitsfähig.

Die individuelle, als erholsam empfundene Länge des Schlafes variiert beträchtlich. Im Schnitt schlafen Frauen etwa eine Stunde länger als Männer. Im höheren Alter nimmt der Ruhebedarf ab. Guter Schlaf gilt in allen Kulturen als ein Merkmal für Gesundheit. „Für psychische Gesundheit stimmt das jedenfalls“, sagt der Psychologe Christoph Augner vom Forschungsinstitut für Grund- und Grenzfragen der Medizin an der Paracelsus Universität Salzburg. Augner war aufgefallen, dass psychisch gesunde Menschen zumeist über gute Schlafqualität berichten.
 Um diese Beobachtung auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen, befragte er eine Gruppe von 196 Studenten nach deren Schlafgewohnheiten. Parallel wurden Depressionen, Angststörungen, krankhafte Essgewohnheiten und sonstige psychische Besonderheiten nach üblichen Testverfahren erhoben. Die kürzlich veröffentlichten Resultate ergaben eine eindrucksvolle Bestätigung von Augners Ausgangs-Hypothese: Will man wissen, wie es einem Menschen geht, braucht man nur danach zu fragen, wie gut er schläft. Studenten mit schlechter Schlafqualität zeigten eine viermal höhere Wahrscheinlichkeit für einen hohen Depressionswert. „Das ist insofern bemerkenswert, als es sich um junge Menschen handelte, die eigentlich alle psychisch gesund waren und auch nicht wegen Schlafstörungen in Behandlung waren“, sagt Augner. „Möglicherweise ist hier aber bereits der Keim einer künftigen Krankheit zu erkennen.“

Noch überraschender ist ein erst im vergangenen Jahrzehnt aufgetauchter Zusammenhang, bei dem die Wissenschafter zunächst an einen Zufallsbefund dachten: Wer kürzer schläft, neigt eher zu Übergewicht. Im Sommer 2003 zeigte die berühmte „Nurses Health Study“ – eine 1976 gestartete Langzeitbeobachtung des Gesundheitszzustandes von 100.000 US-amerikanischen Krankenschwestern – dass Frauen, die im Schnitt weniger als fünf Stunden schliefen, ein um 50 Prozent höheres Diabetes-Risiko hatten als Frauen, die acht Stunden schliefen.Im Vorjahr kam ein Team um Francesco Cappuccio von der Universität Neapel in einer Übersichtsarbeit mit ähnlich hoher Anzahl von Teilnehmern, darunter auch Männer, zu einem fast identen Ergebnis.
Mittlerweile gilt der Zusammenhang als etabliert. „Durch zu wenig Schlaf wird die Appetitregulation gestört“, erklärt Schlafforscherin Birgit Högl (Foto links). „Man isst mehr und kann das Gegessene schlechter verstoffwechseln.“ Bei einer internationalen Konferenz der Schlafmediziner Mitte September in Quebec wurden aktuelle Zahlen aus den USA präsentiert, die speziell für die Gruppe der Jüngeren eine weitere Verschärfung der Problematik anzeigen: „Das Handy wird immer mehr zum Schlaf-Killer“, berichtet Högl, die als Vorstandsmitglied der Gesellschaft an der Konferenz teilgenommen hatte.
Kinder und Jugendliche beschäftigen sich laut diesen Berichten nicht nur tagsüber mehrere Stunden mit dem Handy, sie nehmen es auch mit ins Bett. „Die Erhebungen zeigen, dass viele in der Zeit zwischen Mitternacht und drei Uhr früh regelmäßig von SMS-Nachrichten geweckt werden und darauf antworten.“ Daraus ergebe sich eine erhebliche Beeinträchtigung der Schlafqualität. „Und natürlich befürchten wir, dass sich damit auch der Trend zu Übergewicht und Fettleibigkeit weiter verstärkt“, so Högl.

Wer gut und lange schläft, ist eher schlank und auch psychisch gesund, lauten die aktuellen Befunde.
Christoph Scherfler von der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck wollte wissen, ob man diesen Schluss auch umdrehen kann: Sind Schlafstörungen ein erster Ausdruck organischer Schäden? Um diese Phänomene näher zu untersuchen, gründeten Innsbrucker Neurologen um Vorstand Werner Poewe zusammen mit Kollegen der Universität Barcelona die so genannte SINBAR-Gruppe (Sleep INnsbruck BARcelona). Zunächst nahmen sie sich einer speziellen Gruppe von Schlafstörungen an – „Menschen, die so lebhaft träumen, dass sie anfangen, unkontrolliert im Bett herumzuschlagen", erzählt Scherfler. Weil deren Partner das oft nicht aushalten, „kommen sie zu uns."
Zunächst schlossen die Schlafmediziner jene Patienten aus, deren aggressives Schlafverhalten auf Medikamente, Alkoholentzug und andere bekannte Ursachen zurückzuführen war. Übrig blieben schließlich 26 Patienten mit Schlafstörungen, deren Gehirn im Magnetresonanztomografen nach Veränderungen untersucht wurde. Als Kontrolle dienten die Befunde von 14 Personen ohne Schlafstörungen.
 „Als wir die Resultate in 3D bekamen, war das wirklich beeindruckend“, erzählt Scherfler. „Wir stießen nämlich auf zwei Regionen im Hirnstamm, von denen wir wissen, dass sie an der Regulierung der REM-Schlafphasen beteiligt sind.“ Hier zeigten sich dramatische strukturelle Veränderungen: Zellmembranen, die durch degenerative Prozesse zerstört waren und zum massenhaften Untergang von Nervenzellen führten. Die Ursache der Schlafstörung waren also konkrete Schäden im Gehirn.

Von zusätzlichem Interesse sind diese Ergebnisse im Zusammenhang mit einer immer häufiger auftretenden Krankheit: „Wir wissen, dass etwa drei Viertel unserer Patienten später an Parkinson erkranken.“ Mit Hilfe der MRT-Untersuchung und über den Umweg der Schlafstörung, ist es der SINBAR-Gruppe also gelungen, eine organische Wurzel der Parkinson-Krankheit zu orten. In der Fachwelt schlug diese Nachricht ein wie die sprichwörtliche Bombe. Publiziert wurde die Arbeit in den „Annals of Neurology“, einem der angesehensten Journale der Fachrichtung.
„Interessanterweise fanden wir im betroffenen Bereich auch eine starke Zunahme der Gewebedichte“, erzählt Scherfler. „Das zeigt, dass der Organismus versucht, den Schaden selbst zu reparieren.“ Wenn es gelänge den bislang unbekannten Verursacher des Hirnschadens ausfindig zu machen und den zerstörerischen Prozess zu beenden, wäre also eine Heilung möglich.
Eine zweite Option eröffnet sich im Bereich der Früherkennung. Nachdem nun bekannt ist, in welchen Regionen die Parkinson-Krankheit ihren Ausgang nimmt, lässt sich die Innsbrucker Methode auch gezielt dafür einsetzen, nach Störungen im Anfangsstadium zu suchen.

Eine ähnlich interessante Entdeckung gelang der Arbeitsgruppe bei einer weiteren rätselhaften Krankheit, der Narkolepsie. Die davon betroffenen Patienten werden schlagartig todmüde, verlieren die Muskelkontrolle, brechen zusammen und schlafen gegen ihren Willen ein. Täglich bis zu zwanzig Mal, an allen möglichen Orten. Ein normales Leben ist für die Betroffenen kaum möglich, Auto- oder Radfahren illusorisch Die konkreten Ergebnisse seiner Narkolepsie-Studie will Scherfler noch nicht preisgeben, weil die Publikation gerade im Druck ist.
Dem krankhaften Prozess liegen aber jedenfalls Autoimmun-Prozesse im Gehirn zugrunde, also aggressive, gegen die eigenen Nervenzellen gerichtete Aktionen des Immunsystems.

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang: eine mysteriöse Häufung der sonst sehr seltenen Erkrankung, die offenbar als Folge der Schweinegrippe-Impfaktion im Herbst 2009 aufgetreten sind. Im Lauf des vergangenen Jahres hatten schwedische und finnische Ärzte einen sprunghaften Anstieg von Narkolepsie-Fälle bemerkt. Fast alle betroffenen Patienten waren zuvor mit dem Impfstoff Pandemrix, dem in Europa meistverkauften Präparat, geimpft worden. Das Narkolepsie-Risiko von Kindern, die in Schweden und Finnland damit geimpft wurden, lag um das sechs- bis 13-fache höher als bei nicht Geimpften.
Im Verdacht steht ein Bestandteil der Impfung, nämlich der neuartige Wirkverstärker AS03. In den USA waren solche Zusätze zu Schweinegrippe-Impfstoffen – unter anderem wegen des Risikos autoimmuner Nebenwirkungen – nicht zugelassen worden. Dort sind im Zuge der Pandemie nur zwei Fälle von Narkolepsie bei den Behörden gemeldet worden. In Europa gingen beim Pandemrix-Produzenten GlaxoSmithKline hingegen bisher mehr als 300 Meldungen ein. Anfang August warnte nun auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA in einer Aussendung davor, Pandemrix weiter zu verwenden. Im Gegensatz zu Deutschland ist Österreich von dem Problem nicht betroffen, weil der vom Gesundheitsministerium angekaufte Impfstoff der Firma Baxter keine Wirkverstärker enthielt.

 Ein weiteres heftig diskutiertes Thema im Bereich der Schlafstörungen: der Einfluss der Schichtarbeit auf das Krebsrisiko. Wahrscheinlichster Auslöser für die erhöhte Erkrankungsgefahr ist die Störung der nächtlichen Service- und Reparaturarbeiten des Immunsystems. Während tagsüber das Stress-System regiert, werden nachts die Zellen der Immunabwehr aktiv. Sie beseitigen Krebswucherungen im Anfangsstadium und führen über Mikroentzündungen kleine oder größere Reparaturen durch.
Wenn nun nachts nicht geschlafen, sondern gearbeitet wird, dann ergibt sich für den Organismus ein hormoneller Widerspruch. Das Stresshormon Cortisol bleibt aktiv und unterdrückt das Anlaufen der nächtlichen Service-Arbeiten. Bereits seit 2007 gilt die Verschiebung der Arbeitszeit in die Nacht laut WHO als „wahrscheinliches Karzinogen“.
Wie dem Problem begegnet werden kann, bleibt umstritten. Am ehesten, so zeigte eine im August veröffentlichte dänische Untersuchung, gelingt dies mit einer intelligenten Anpassung der Arbeitszeiten. Zu diesem Zweck wurden die bei dänischen Krankenschwestern aufgetretenen Brustkrebsfälle mit deren Schichtplänen verglichen. Ergebnis: Nachtschwestern trugen ein fast doppelt so hohes Krebsrisiko wie Tagschwestern. Keine Risikoerhöhung zeigte sich bei Bediensteten, die ihren Dienst vor Mitternacht beendeten. Ein gleich dreifach erhöhtes Brustkrebsrisiko hatten jene Frauen, deren Schichtpläne über viele Jahre zwischen Tag und Nacht- sowie permanenter Nachtschicht hin und her pendelten.

Doch es ist nicht allein die Schichtarbeit, von der die Gefahr aus geht. Auch wer zu Hause die Nacht zum Tag macht und regelmäßig bis nach Mitternacht das Licht eingeschaltet lässt, sabotiert jene Nachtarbeit, die ganz eindeutig der Gesundheit dient: die Nachtschicht des Immunsystems.

Dieser Artikel ist Anfang Oktober 2011 als Cover-Story im Nachrichtenmagazin profil erschienen.

Dienstag, 27. September 2011

Rotschlamm Desaster

Vor einem Jahr brachen 15 Meter hohe Dämme einer Rotschlamm-Deponie der ungarischen Aluminiumfabrik MAL in Ajka. Ich habe zum Jahrestag der Katastrophe einen Beitrag für das ORF Magazin Thema verfasst. Den Film kann man in der TV-Thek zwei Wochen lang ansehen. Wir haben den ungarischen Kameramann Istvan Benkö besucht, dessen TV-Bilder damals um die Welt gegangen sind.

 Istvan Benkö hat durch das Unglück seine Gesundheit und sein Zuhause eingebüßt.


"Den Opfern an Mensch und Umwelt durch Schlampigkeit und Gier" steht auf dem Denkmal für die 10 Todesopfer der Rotschlamm-Katastrophe in Kolontar.

Dienstag, 23. August 2011

Grüne(wald) erfreut über Stögers Impfpläne

Sehr geehrter Herr Dr. Grünewald,


als Sympathisant und zeitweiliger Wähler der Grünen habe ich mich gestern geärgert, als ich Ihre APA-Aussendung zur Pneumokokken-Impfung gelesen habe, in der Sie Gesundheitsminister Stöger zur Ankündigung gratulieren, endlich die Gratis-Pneumokokken-Impfung einzuführen.
Weniger über die Tatsache, DASS Sie für diese Impfung eintreten, als vielmehr über die Art, WIE Sie diese Unterstützung argumentierten. Nämlich gar nicht.
Eine weitere Impfung scheint in Ihrem Weltbild ähnlich verankert wie ein zusätzliches Gratis-Kindergartenjahr oder eine Beschäftigungsoffensive für arbeitslose Jugendliche: Je mehr desto besser, der Nutzen steht von vornherein außer Frage.

Ihre Aussendung unterscheidet sich in ihrer Argumentationstiefe nur unwesentlich von dem, was man in den Stellungnahmen von BZÖ und FPÖ zum Thema Impfungen liest und erinnert eher an die Strategie eines Veterinärs, der für die "Gesundheit" der Tiere in einer Truthahn-Fabrik zuständig ist: Maximale Gesundheit durch maximalen Impfschutz!

Dass Sie neben der Forderung nach der allgemeinen Gratis-Pneumokokken und der Gratis-HPV Impfung ganz auf die Gratis-Meningokokken und die Gratis-Windpocken-Impfung vergessen haben, lag das an der Zeilenbeschränkung bei APA-Aussendungen?
Oder sparen Sie sich das für Ihre nächsten gesundheitspolitischen Initiativen auf?

Nach oben hin ist hier noch viel Platz, zumal Impfungen als das derzeit profitabelste Segment des Pharma-Marktes gelten und in den nächsten Jahren mit zahlreichen Neueinführungen zu rechnen ist.
Und wahrscheinlich teilen Sie ja die diesbezügliche Meinung des Vorsitzenden des Impfausschusses, Prof. Ingomar Mutz, der öffentlich verkündet hat, dass das Immunsystem der Kinder auch 10.000 Impfungen problemlos aushalten würde.

Seltsam nur, dass in allen Industrieländern gerade jene Krankheiten so steil ansteigen, die mit einem aus der Bahn geworfenen Immunsystem zu tun haben. Finden Sie nicht?
In den USA, wo bereits am ersten Lebenstag der Babys mit der Impfung gegen Hepatitis B der Impfreigen beginnt, erschien im Mai eine große Untersuchung zur Gesundheit der Kinder.
Wie hoch, denken Sie, ist dort mittlerweile der Anteil der chronisch kranken Kinder?
Er liegt bei 54 Prozent! Wenn man krankhaftes Übergewicht und Entwicklungsstörungen abzieht, bleiben noch immer 43 Prozent.

Ich behaupte jetzt nicht, dass das alles von Impfungen verursacht ist. Die Ursachen für diese ungeheure Krankheitslast, die hier auf die Gesellschaft zukommt, sind vielfältig.
Dennoch würde ich vorsichtig sein, jede neue Impfung, die aus den USA mit einem ungeheuren Marketing- und Lobbying-Aufwand in die ganze Welt verbreitet wird, sofort ungeschaut mit offenen Armen aufzunehmen.
Die Zeiten sind vorbei, als die Infektionskrankheiten an allen Ecken lauerten. Heute lauert etwas anderes. Bloß unsere Impfexperten - und Sie wohl auch - stecken mit ihrem diesbezüglichen Weltbild noch tief in der Ära von Pocken und Polio fest.

Haben Sie eigentlich schon mal Zeit gefunden, sich über seriöse Kritik am Nutzen der Pneumokokken-Impfung zu informieren?
Oder über die starken Replacement-Effekte im Zuge der Einführung dieser Impfstoffe?

Über aktuelle wissenschaftliche Fakten zur Problematik der Aluminium-haltigen Wirkverstärker?

Oder den möglichen Zusammenhang zwischen unspezifischer Alarmierung des Immunsystems und der ständigen Zunahme bei Asthma, Allergien und Autoimmunerkrankungen?

Über das kriminell-fahrlässige Studien-Design beim HPV-Impfstoff Gardasil, wo als Placebo-Impfung eine Aluminium-Adjuvantien-Lösung gespritzt wurde, um die Nebenwirkungen zu maskieren? Sagt Ihnen das etwas?

Oder haben Sie die Entscheidung der FDA verfolgt, wonach in der Patienteninformation der HPV Impfstoffe seit 2009 stehen muss, dass bei 2,3 Prozent der Studien-Teilnehmer im Studienzeitraum neue Krankheiten mit einem potenziell autoimmunen Hintergrund aufgetreten sind?

Von einem Mediziner und Gesundheitssprecher der Grünen hätte ich mir schon des öfteren kritische Stellungnahmen gewünscht. Beispielsweise zur nicht vorhandenen Forschung zur Impfstoff-Sicherheit in Österreich oder zum vollkommen unterentwickelten und intransparenten Meldewesen bei unerwünschten Arzneimittelwirkungen.
(Und wer prüft eigentlich die gesundheitlichen Auswirkungen von drei Jahrzehnten FSME-Impfkampagnen? Bei einer Weltrekord-Impfrate von über 90 Prozent entspricht dies einem nationalen medizinischen Selbstversuch, der völlig unkontrolliert abläuft. - Die Firmen werden hier sicher nicht in irgendwelche Sicherheits-Studien investieren. Die sind seit Immunos Zeiten einzig am Verkauf der Impfungen interessiert.)

Das Paul Ehrlich Institut hat zu den von Medizinern gemeldeten Nebenwirkungen immerhin vor einigen Jahren eine öffentlich zugängliche Datenbank auf seiner Website geschaffen. In Österreich wissen hingegen die meisten Ärzte noch gar nicht, dass es so etwas wie eine gesetzliche Meldepflicht bei unerwünschten Nebenwirkungen überhaupt gibt.

Bezeichnend für Ihre Haltung finde ich folgende Passage aus Ihrer Aussendung:
Die Kinderrechtskonvention wurde ratifiziert, wenn auch das Kindeswohl immer noch nicht im Verfassungsrang ist. Warum werden Kindern nach wie vor "state-of-the-art"- Behandlungen vorenthalten? Hier ist noch einiges zu tun", fordert Grünewald.

Was wäre denn der Effekt, wenn das "Kindeswohl" und das Recht auf "state-of-the-art-Behandlung" im Verfassungsrang wäre?
Erhoffen Sie sich damit eine klagsfähige "Impfpflicht durch die Hintertüre", getarnt als "Kinderrecht"?
Sie sollten wirklich die Qualität der Argumente Ihrer Einflüsterer prüfen, bevor Sie das rausposaunen. Oder ist Ihnen dieser gefährliche Schwachsinn selbst eingefallen?
Wollen Sie mit derartigen Vorstößen die Tierärzte der BZÖ rechts überholen?
Es würde mich sehr wundern, wenn der Ansatz, Eltern per Gesetz zur Impfung ihrer Kinder zwingen zu können, in Ihrer Partei mehrheitsfähig wäre. Soll ich mal nachfragen?

Ich verfolge als Journalist seit fast 20 Jahren die Impfdebatte und ich denke, dass es hoch an der Zeit wäre, dass dieser Bereich endlich zu einer "normalen" Wissenschaft mit nachvollziehbaren Grundsätzen wird. Stattdessen appelliert ein Klüngel verschworener Impfexperten noch immer ständig an den "hehren Impfgedanken" des vorigen Jahrhunderts und versucht alles abzublocken und zu vermeiden, was einer objektiven Prüfung der Sicherheit von Impfstoffen nahe kommen könnte.
Und alle sind sofort dabei, wenn auf Zuruf der Industrie die Impfpläne ständig weiter aufgestockt werden.

Dass gerade ein Gesundheitssprecher der Grünen sich hier so willfährig und argumentationslos einspannen lässt, finde ich beschämend,

einen schönen heißen Tag noch, BE

(Foto: www.gruene.at, CC)

Freitag, 19. August 2011

RKI bitte melden: offene Fragen zur Sicherheit der Babyimpfungen

Von Dr. Martin Schlaud und Kollegen vom Robert Koch Institut erreichte mich vorhin folgende Mitteilung:

Sehr geehrter Herr Ehgartner,
auf Ihre Anfragen zur TOKEN-Studie vom 14.06.2011 und vom 27.07.2011 haben wir jeweils sehr ausführlich geantwortet. Kurz nach Erhalt der zweiten Antwort haben Sie innerhalb von zwei aufeinander folgenden Tagen weitere drei E-Mails zum selben Thema an uns gerichtet. Wir bitten um Verständnis, dass wir nun keine Detailfragen mehr beantworten können.
Alle Informationen zur TOKEN-Studie und sämtliche Auswertungsergebnisse sind in dem umfangreichen Endbericht enthalten, der seit Februar veröffentlich ist und Ihnen offenbar vorliegt.
Mit freundlichen Grüßen
im Auftrag
Priv.-Doz. Dr. med. Martin Schlaud
Leiter des Fachgebiets "Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, Präventionskonzepte"
Abt. für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung
Robert Koch-Institut
Postfach 65 02 61
13302 Berlin
Tel. 030/18-754-3437
Fax: 030/1810-754-3437
E-Mail: m.schlaud@rki.de
Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit.

Ich habe daraufhin folgendermaßen geantwortet:


Sehr geehrter Herr Dr. Schlaud,
danke für die bisherigen Antworten. Und entschuldigen Sie, dass ich noch drei Mails geschrieben habe. Aber Ihre Studie hat von der Methodik einige zusätzliche Fragen aufgeworfen, die mir durch Ihre vorangegangenen Antworten nicht schlüssig erklärt worden sind.
Ich habe zu Ihrer Arbeit auf meinem Blog einen Beitrag verfasst, in dem ich Ihre Antworten zum Teil berücksichtigt habe.

Insgesamt bleibt meine Kritik bestehen:

  1. Sie haben die Ergebnisse der Token Studie tendenziös aufbereitet, immer mit dem Bestreben, den Status Quo zu rechtfertigen und nichts an der derzeitigen Impfpraxis infrage zu stellen.
  2. Sie haben keinerlei Selbstkritik bezüglich der Finanzierung dieser Studie durch die Impfstoff-Hersteller erkennen lassen
  3. Sie haben in der Zusammenfassung der Studie auf Ihrer Webseite nicht signifikante Ergebnisse referiert, die Ihnen in den Kram passten, ohne bekannt zu geben, dass diese Ergebnisse nicht signifikant waren.
  4. Andere statistisch signifikante Ergebnisse haben Sie hingegen in der Zusammenfassung unterschlagen, weil diese Resultate die Sicherheit der Babyimpfungen in Frage gestellt hätten
  5. Sie haben im Zuge der Auswertung einige der Daten gewichtet, so dass Todesfälle in nahem zeitlichem Zusammenhang zu Impfungen weniger "zählten" als Todesfälle, die in weiterem Abstand zu Impfungen auftraten. Nur durch diese Maßnahme ist es gelungen, wichtige Ergebnisse in den nicht signifikanten Bereich zu verschieben. Diese Resultate haben Sie dann in der Zusammenfassung der Ergebnisse auf Ihrer Website berichtet, ohne zu erwähnen, dass diese Ergebnisse durch Gewichtung zustande gekommen sind.
  6. Obwohl in Ihrer Arbeit zahlreiche alarmierende Resultate zur Sicherheit der Babyimpfung aufgetreten sind, haben Sie nicht erwähnt, dass Sie diese Fragen durch nachfolgende Studien im Detail aufklären wollen.
  7. Sie haben in Ihren Antworten nicht erklären können, warum Sie die Token Studie überhaupt durchgeführt haben, wo Sie doch im Vorhinein wussten, dass es nicht möglich sein würde die Daten der verstorbenen Kinder mit deren Impfdaten zu verknüpfen, sondern dass es dafür der Einwilligung und der Mitarbeit der Eltern bedurfte.
  8. Sie haben zwar in Ihren Mails erklärt, dass zentrale Impf- und Sterberegister an sich wünschenswert wären, Sie haben aber in keiner Weise beschrieben, was Sie für die Einführung dieser Maßnahmen unternommen haben oder unternehmen wollen.


Auch wenn Sie angekündigt haben, mir nicht mehr in dieser Sache zu antworten möchte ich Ihnen noch drei offene Fragen stellen:

  • Das RKI, bzw. die an Ihrem Institut beheimatete STIKO empfiehlt Impfungen. Wenn Sie nun selbst mit der Prüfung beauftragt wurden, ob diese Empfehlungen Schaden und sogar Todesfälle bei zuvor gesunden Babys auslösen können - bestand dann nicht von vorn herein ein enormer Interessenskonflikt?
  • Wäre es nicht redlicher gewesen, die Durchführung und Aufbereitung dieser Studie an eine unabhängige und nicht befangene wissenschaftliche Institution zu vergeben?
  • Besteht die Absicht, ein zentrales Impf- und Sterberegister einzuführen und die Studie dann - ohne die "Notwendigkeit" nachträglicher Gewichtung und statistischer Nachbesserung - zu wiederholen und damit einen wirklich objektiven und Aussage-kräftigen Beitrag zur Frage der Sicherheit der Baby-Impfstoffe zu leisten?

mit freundlichen Grüßen
Bert Ehgartner

Samstag, 13. August 2011

Die Tricks des Robert Koch Instituts: Wie gefährlich sind Baby-Impfungen wirklich?

Eine genaue Analyse der Token-Studie zeigt, dass das Robert Koch Institut (RKI) zu statistischen Tricks griff, um die bisherige Impfpraxis bei den Babys nicht in Frage stellen zu müssen.

Ohne diese "Anpassungen" hätte es nämlich beispielsweise melden müssen, dass das Sterberisiko aller Babys im Zeitraum von drei Tagen nach einer Fünffach- oder Sechsfach-Impfung beim Dreifachen der impffreien Kontroll-Periode liegt. Oder dass Frühgeborene, die zu den üblichen Terminen geimpft werden, ein sechsfach höheres Risiko haben, kurz danach zu sterben.
Eine Behörde, die ihre Verantwortung für das Wohl der Kinder ernst nimmt, würde nun bei den Gesundheitspolitikern darauf drängen, schleunigst ein allgemeines Impfregister einzuführen und die Token-Studie - diesmal ohne peinliche Fehler - rasch zu wiederholen. Dafür bräuchte es jedoch Fachleute, denen der Sinn nach Wahrheit steht - und nicht ausschließlich nach Verteidigung des Status Quo.

Foto: Pascal Dolémieux / sanofi pasteur (cc)
Der Frühling des Jahres 2011 war gerade ins Land gezogen, da hat sich das Robert Koch Institut endlich dazu aufgerafft, seine lange erwartete Token-Studie zu veröffentlichen. Diese Untersuchung hatte große Ansprüche: Sie sollte erstmals lückenlos alle ungeklärten, plötzlichen und unerwarteten Todesfälle bei Kindern im Alter zwischen 2 und 24 Monaten erfassen und prüfen, ob es einen Zusammenhang zu den laut Impfkalender empfohlenen Impfungen gibt. Konkreter Anlass waren eine Reihe unerklärlicher Todesfälle in nahem zeitlichen Zusammenhang zu Impfungen, die auch zu einer vorübergehenden behördlichen Sperre des damals meist verwendeten Sechsfach-Impfstoffes "Hexavac" von Sanofi-Pasteur führten. Die Token-Studie begann im Sommer 2005. Kurz darauf nahm Sanofi-Pasteur seinen umstrittenen Impfstoff ganz vom Markt. Offiziell deshalb, weil es ein Problem mit der Langzeit-Wirksamkeit der Hepatitis-B Komponente des Sechsfach-Impfstoffes gebe. Inoffiziell wurde natürlich ein Zusammenhang mit der angelaufenen Studie vermutet.
Von Sommer 2005 bis Sommer 2008 wurden nun im Großteil Deutschlands von den teilnehmenden Gesundheitsämtern die Todesfälle gesammelt und die Daten an das Berliner Studienzentrum am Robert Koch Institut übermittelt. Zunächst hieß es, die Studie würde zu Jahresbeginn 2009 veröffentlicht. Auf meine Nachfragen beim RKI wurde ich mehrfach vertröstet, schließlich erschien sie mit zweijähriger Verspätung.


Die Geburtsfehler der Token-Studie

Ich habe die Darstellung der Ergebnisse damals in Artikeln hier und hier besprochen und das Robert Koch Institut scharf kritisiert.
Meine vorrangigen Kritikpunkte betrafen zum einen die Blödheit, sich diese Studie ausgerechnet von den Herstellern der zu untersuchenden Impfstoffe bezahlen zu lassen. Für einen Sponsor-Beitrag von 2,5 Millionen Euro erkauften sich die Firmen damit laut Vertrag das Recht, "unverzüglich über relevante Erkenntnisse oder Bewertungen unterrichtet zu werden". Weiters wurde ihnen das Recht zugestanden, dass sie vor der Veröffentlichung der Resultate "Gelegenheit zur wissenschaftlichen Stellungnahme zu den zur Publikation vorgesehenen Texten erhalten".
Bei einer Summe von mehr als 500 Millionen Euro, welche jedes Jahr für die von der STIKO empfohlenen Impfungen vom Gesundheitsbudget in die Kassen der Impfstoff-Hersteller abgeführt wird, erkauften sich die Sponsoren ihr Mitspracherecht demnach aus der Portokasse.
Wozu also brauchte das Robert Koch Institut die Sponsoren wirklich? Der Verdacht liegt nahe, dass es vor allem darum ging, das methodische Know-how und die strategische Beratung der Firmen zu nutzen, um die Resultate "im Sinne des Impfgedankens" aufzuhübschen.

Zum zweiten kritisierte ich, dass in Deutschland der Datenschutz scheinbar mehr zählt als die Kindergesundheit. "Aus Gründen des Datenschutzes" war es nämlich nicht möglich, die persönlichen Daten der verstorbenen Kinder mit den Angaben aus deren Impfpässen zu verknüpfen. Dazu wäre es notwendig gewesen ein allgemeines Impfregister einzuführen, welche hier die elektronische Basis für eine seriöse Untersuchung schafft. Das wurde jedoch bisher versäumt.
Durch dieses Informations-Defizit genau in jenem Kernbereich, der untersucht werden sollte, ergab sich die Notwendigkeit, mit den betroffenen Eltern Kontakt aufzunehmen. Sie wurden gebeten, die Impfpässe ihrer verstorbenen Babys herauszusuchen und sollten umfangreiche Fragebögen ausfüllen. Es ist wohl nachvollziehbar, dass dies für viele Mütter und Väter psychisch nicht verkraftbar war. Und so kam es auch: Rund zwei Drittel der Eltern der insgesamt 667 im Untersuchungs-Zeitraum verstorbenen Kinder verweigerten ihre Teilnahme an der Token-Studie trotz mehrfacher Kontaktaufnahme.


Schock für das RKI

Als die Daten in der Folge einlangten und die ersten Zwischenauswertungen analysiert wurden, ergab sich ein alarmierendes Bild, das wohl beim RKI zu einigen Krisensitzungen und heißen Diskussionen Anlass gab. Es zeigte sich nämlich, dass überproportional viele Kinder in nahem Zusammenhang zu den Impfungen gestorben waren.
Die offizielle Version lautet nun, dass die Eltern von Kindern, deren Babys kurz nach Impfungen verstorben waren, scheinbar häufiger ihre Erlaubnis zur Teilnahme an der Studie gegeben hatten. Außerdem, so das RKI sinngemäß, hätten auch noch die Gerichtsmedizinischen Institute die Auswertung verfälscht, indem sie dafür sorgten, dass speziell Todesfälle nach Impfungen vermehrt in die Studie aufgenommen wurden.
Aus diesen Umständen leitete das RKI das Recht ab, die Feile an die eigenen Daten zu legen und diese - im Nachhinein - statistisch zurecht zu schleifen. Mit dem weithin verlautbarten Ergebnis, dass Impfungen keinerlei Rolle bei unerklärlichen Todesfällen im ersten und zweiten Lebensjahr spielen.

Ich habe in meinen Artikeln diese Darstellung kritisiert und zusätzlich zur erwähnten methodischen Kritik angeführt, dass man nur einen einfachen Taschenrechner braucht, um fest zu stellen, dass an der Kernaussage des RKI etwas faul sein muss. Wenn man nämlich die Basis-Daten eingibt und das Sterberisiko ausrechnet, ergibt sich im Zeitraum von zwei Wochen nach einer Impfung eine dreimal so hohe Wahrscheinlichkeit auf einen unerklärlichen Todesfall als in den darauf folgenden Wochen.

Ich habe meine Kritik dieser Praktiken mitsamt einigen Ergänzungsfragen an den RKI-Mitarbeiter und verantwortlichen Leiter der Token-Studie, Martin Schlaud geschickt.
Mittlerweile haben wir mehrfach hin und her gemailt und Herr Schlaud hat mir ausführliche Erläuterungen zukommen lassen, inklusive Belehrungen, ich solle meinen Taschenrechner lieber eingesteckt lassen und mir einschlägige Lehrbücher der Epidemiologie besorgen.

Schlaud teilte mir mit, dass ich bei meiner Analyse der Ergebnisse schlicht darauf vergessen hatte zu bedenken, dass selbstverständlich das Sterberisiko der Babys im Lauf der Monate abnimmt und es deshalb ganz normal sei, dass kurz nach einer Impfung das Risiko höher ist als später.
Ganz einfach deshalb, weil die Kinder später älter sind und deshalb ein geringeres Risiko haben, plötzlich zu versterben.


Risikospitze in den Impfmonaten

Die Neurobiologin Catherina Becker, eine weitere Kritikerin meiner Kritik, postete hier im blog eine Übersicht aus dem British Medical Journal zur Altersverteilung bei plötzlichen unerwarteten Todesfällen - ob erklärbar ("explained SUDI") oder nicht erklärbar ("SIDS"):


Catherina versuchte damit ebenfalls den steilen Abfall des Sterberisikos im Lauf des ersten Lebensjahres darzustellen. Und tatsächlich lässt sich das ja auch aus der Graphik ablesen.
Was damit allerdings nicht erklärt wird, ist die Tatsache, dass die Kurve der Todesfälle just in jenen Monaten ihren Höhepunkt erreicht, wo die meisten Babys ihre ersten Impfungen erhalten.
Wenn es tatsächlich so wäre, dass das Sterberisiko mit höherem Alter der Kinder kontinuierlich abnimmt, warum erfolgt dann vom ersten zum dritten Lebensmonat ein derart rasanter Anstieg?

Zu prüfen, ob diese Spitzen im Sterberisiko mit den Impfungen zu tun haben, wäre die vordringlichste Aufgaben der Token-Studie gewesen. Zumal sich ja auch hier beim Zeitpunkt der deutschen Todesfälle ein ganz ähnliches Muster ergab. (Ich beziehe mich im folgenden auf die Angaben aus der Studie, Tabelle 21, Seite 95.  Ich habe die dort angegebenen Todesfälle in ein zeitliches Verhältnis gesetzt, um das Todesfallrisiko vergleichbar zu machen. Warum das RKI in der Tabelle ungleiche Intervalle verwendet, ist mir ein Rätsel geblieben.)

Bei den 98 Kindern, die nach Sechsfachimpfung im Verlauf der Studienperiode starben zeigte sich bezogen auf das Alter der Kinder folgende zeitliche Abfolge:

Alter der Kinder..........  Anzahl Todesfälle .......  Todesfälle pro Tag
    30-60 Tage ........
.......    1 .................................   0,03
    61-91 Tage................    8 .................................   0,27
  92-152 Tage................  27 .................................   0,45
153-183 Tage................    9 .................................   0,30
184-274 Tage................  27 .................................   0,30
275-365 Tage................  15 .................................   0,17
366-456 Tage................    3 .................................   0,03
457-730 Tage................    8 .................................   0,03


Die Mehrzahl der Todesfälle ereignete sich also im Alter zwischen vier und fünf Monaten (91-152 Tage). Im dritten Lebensmonat, wo zwischen Tag 61 und 91 bei den meisten Kindern die erste Sechsfach-Impfung fällig wird, starben in diesem frühen Alter "nur" 8 Babys. In den beiden nächsten Monaten, wenn die Dosen zwei und drei der Basis-Immunisierung folgen, ereigneten sich hingegen bereits 27 Todesfälle. Je mehr Impfungen also, desto höher das Sterberisiko.
Wie aber misst man nun, ob diese Todesfälle etwas mit den vorangegangenen Impfungen zu tun haben?


Eine methodische Herausforderung

Zu untersuchen, ob das Sterberisiko nach Impfungen erhöht ist, ist methodisch nicht ganz einfach, da es im herkömmlichen Sinn keine Kontrollgruppe gibt.
Wenn ich etwa prüfen möchte, ob eine bestimmte Diät zum Abnehmen taugt, so hält sich eine Studiengruppe an den vorgegebenen Speiseplan, die andere ernährt sich wie bisher. Und am Ende bringt die Waage den Erfolg oder Misserfolg der Methode ans Licht.
Beim Sterberisiko nach Impfungen haben wir mit so einem Design hingegen gravierende Probleme.
Zum einen ist dieses Risiko glücklicherweise sehr gering. Das heißt man bräuchte zwei extrem große Gruppen, damit überhaupt solche zählbaren Todesfälle auftreten. So eine Studie wäre unfinanzierbar teuer.
Das zweite Problem betrifft die Kontrollgruppe. Keine Ethik-Kommission würde es genehmigen, Kinder per Zufall in eine Nicht-Impf-Gruppe zuzuweisen.

Dies sind die beiden Hauptgründe, dass in den 90er Jahren für die Risikobewertung von Impffolgen ein eigenes mathematisches Modell entwickelt wurde: Die so genannte Self-controlled case series (SCCS). Eine angepasste Version der SCCS Methode wurde auch für die Auswertung der Token-Studie verwendet.

Das besondere an der SCCS Methode ist, dass sie ohne Kontrollgruppe auskommt. Es werden nur "Fälle" in die Berechnung aufgenommen. In unserem Fall also die insgesamt 254 Kinder, die im Lauf der drei Studienjahre verstorben sind.
Als nächstes werden Risikoperioden definiert. In der Token-Studie gab es derer drei: Den Zeitraum binnen 3 Tagen, 4 bis 7 Tage und 8 bis 14 Tage nach dem Impftermin.
An Stelle einer Kontroll-Gruppe tritt bei der SCCS der Kontroll-Zeitraum. Und anschließend wird berechnet, ob das zu untersuchende Ereignis überdurchschnittlich häufig in der zuvor definierten Risikoperiode auftritt.Wer sich über die Details der SCCS-Methode genauer informieren möchte, kann sich z.B. hier schlau machen.
An sich ist die SCCS-Methode ein recht brauchbares Design, um Risikoverteilungen in bestimmten Zeitperioden zu messen. Nicht erfasst werden dadurch allerdings Zusammenhänge, welche außerhalb der vorher festgelegten Zeitspannen auftreten. Wenn also eine unerwünschte Impffolge erst nach einigen Wochen oder Monaten eintritt, würde sie mit der SCCS nicht aufgespürt werden.

Sehen wir uns also an, was bei der Token-Studie raus kam. Die Ergebnisse sind auf der Website des RKI nachzulesen. Es ist allerdings empfehlenswert, die Langfassung der Studie (nur in englischer Sprache abrufbar) zu lesen, weil die deutsche Zusammenfassung - um es einmal vorsichtig auszudrücken -  daraus nur sehr selektiv zitiert.


Zaubern mit Statistik

Laut RKI war das Risiko für einen plötzlichen Todesfall binnen drei Tagen nach einer Impfung ebenso wenig erhöht wie binnen einer Woche nach Impfung. In den Tagen vier bis sieben nach der Impfung zeigte sich angeblich sogar ein verringertes Risiko. Die toten Kinder zeigten auch keinerlei gemeinsame Anzeichen von Krankheit, etwa eines Hirnödems.
Vielmehr sei die Schuld an den Todesfällen eher bei den Eltern selbst zu suchen, denn, so das RKI:
Fast alle kurz nach Impfung verstorbenen Kinder hatten anerkannte Risikofaktoren für einen plötzlichen Kindstod: Schlafen in Bauchlage, mütterliches Rauchen oder Überwärmung durch Heizung, Kleidung oder Bettzeug.

Soweit also die Kernaussage der Behörde: Keinerlei Probleme mit Impfungen, wenn Babys sterben sind die Eltern selber schuld, indem sie rauchen, das Bett überhitzen oder die Babys in der gefährlichen Bauchlage schlafen lassen.
"Vorsichtige Entwarnung", titelte daraufhin das Deutsche Ärzteblatt. Bei diesem Artikel fungierte Token-Studienleiter Martin Schlaud vorsichtshalber gleich als Co-Autor.

So, und nach dieser offiziellen Einleitung kommen wir nun zu dem, was wirklich in der Studie steht. Und hier finden sich plötzlich Resultate, die alles andere als beruhigend klingen:
  • Drei Tage nach einer Sechsfachimpfung war das Sterberisiko laut SCCS-Analyse um das 2,3 fache erhöht.
  • Drei Tage nach einer Fünffachimpfung war das Sterberisiko sogar um das 8,1 fache erhöht.
  • Wurden Fünf- und Sechsfach Geimpfte gemeinsam ausgewertet, ergab sich ein dreifach höheres Risiko.
  • Frühgeborene hatten ein sechsfach höheres Risiko binnen drei Tagen nach Fünf- oder Sechsfach-Impfung zu sterben
  • Während des zweiten Lebensjahres war das Risiko, binnen drei Tagen nach Impfung zu sterben um das nahezu Vierzehnfache erhöht

Diese Ergebnisse waren statistisch signifikant. Das bedeutet, dass bei einer Wiederholung der Studie unter denselben Voraussetzungen eine 95%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Resultat innerhalb des Vertrauensintervalls heraus kommt.

Nicht signifikante Ergebnis sind nicht aussagekräftig, weil sie außerhalb des zuvor festgelegten Vertrauensintervalls liegen und deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Zufallsfund darstellen. Nicht signifikant bedeutet, dass bei einer Wiederholung der Studie auch das Gegenteil rauskommen kann.

Es gilt deshalb als unseriös, nicht-signifikante Ergebnisse als Resultate darzustellen.
Genau das macht aber das RKI gleich auf der Startseite zur Token-Studie mit dieser, als einer von sieben Haupt-Aussagen graphisch hervor gehobenen Feststellung:
In den Tagen vier bis sieben nach der Impfung zeigte sich ein verringertes Risiko

Tatsächlich traten die Todesfälle in der Studie gehäuft an den Tagen 0 bis 3 nach der Impfung - und dann an den Tagen 8 bis 14 auf. Zwischen Tag 4 bis 7 wurden nur wenige Todesfälle registriert. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Zufall, das verminderte Risiko war auch nicht signifikant. Es demonstriert jedoch gut die manipulative Absicht der Studienautoren, dass genau dieser Zufallsfund als eine der Haupt-Aussagen der Token-Studie verkauft wird.

Als ebenso unseriös gilt es, die methodische Auswertung einer Studie im Nachhinein zu ändern und so anzupassen, dass die "richtigen" Ergebnisse heraus kommen.

Genau dies geschah aber mit der so genannten "Gewichtung" der Daten.

Die Studienautoren des RKI stellten nämlich fest, dass jene Fälle, die von den gerichtsmedizinischen Instituten zur Teilnahme vermittelt wurden, mit höherer Wahrscheinlichkeit kurz nach der Impfung gestorben waren, als jene die von den Gesundheitsämtern gemeldet wurden. Deshalb beschlossen die Statistiker des RKI diese Fälle zu gewichten. Sie errechneten einen Gewichtungsfaktor von 0,41. Das heißt, dass ein von den Gesundheitsämtern gemeldeter Todesfall in der Berechnung gleich viel zählte, wie zweieinhalb Todesfälle der Gerichtsmediziner.

Erst mit diesem absurden Kunstgriff gelang es, das Sterberisiko im Zeitraum von drei Tagen nach der Impfung in den nicht-signifikanten Bereich zu drücken. Und ausschließlich diese gewichteten Resultate wurden in der Zusammenfassung der Studie genannt. Natürlich ohne dort zu erwähnen, dass dieses Ergebnis nur durch eine künstliche und willkürlich anmutende Reduktion jener Fälle, die dem RKI nicht in den Kram passten, zustande gekommen war.

Beim achtfach höheren Sterberisiko nach Fünffach-Impfung half wohl auch der Gewichtungs-Trick nichts mehr. Hier argumentiert das RKI mit der geringen Fallzahl. Zitat RKI:
Allerdings trugen nur 14 fünffach geimpfte Fälle, von denen vier Fälle innerhalb von 3 Tagen nach Impfung verstorben waren, zu dieser Berechnung bei. Zusätzlich gibt es eine besonders hohe Teilnahmebereitschaft der Eltern, deren Kinder kurz nach Fünffachimpfung gestorben sind.

Ähnlich lautete die Argumentation beim exorbitant höheren Sterberisiko im zweiten Lebensjahr.

Tief im Bauch der Studie versteckt ist der Hinweis, dass früh geborene Babys ein viermal so hohes Risiko haben, binnen drei Tagen nach einer Sechsfach-Impfung zu sterben. Ihr Risiko ist damit doppelt so hoch wie bei Babys, die zum Termin geboren wurden. Werden Fünffach-geimpfte Frühchen auch noch dazu gezählt, steigt das Risiko sogar auf den Faktor 6,03.
Ein Ergebnis, das jenen Ärzten recht gibt, die Frühgeborene sicherheitshalber immer etwas später impfen.

In der Aufbereitung des RKI wurde alles versucht, diese alarmierenden Resultaten klein zu reden und im Haupttext der 160 Seiten umfassenden Studie zu verstecken. Möglicherweise ist es auch kein Zufall, dass diese deutsche Arbeit von der RKI-Homepage ausschließlich in englisch zum download bereit gestellt wird - und nur die geschönte Zusammenfassung in deutscher Sprache verfasst ist.


Konsequenzen

Was machen wir also mit diesen Resultaten?
Laut vermelden, dass eh alles in Ordnung ist, zur Tagesordnung über gehen und weiter impfen wie bisher, so wie es das Robert Koch Institut praktiziert?

Ich bin weit davon entfernt, alle diese Resultate, welche ich hier aus der Token-Studie zitiert habe, als gültige Beweise für die Gefährlichkeit von Babyimpfungen anzusehen.
Ich denke auch, dass es möglich wäre, dass Eltern, die ihre Kinder kurz nach Impfungen verloren haben, eine höhere Teilnahme-Moral hatten als andere Eltern. Möglich wäre es, auch wenn mir keine Gründe dafür einfallen, warum Eltern, deren Kinder ungeimpft oder in weiterem Abstand zu einem Impftermin gestorben sind, nicht ebenso interessiert an einer Aufklärung der Zusammenhänge sein sollten.

Doch selbst wenn dem so wäre, so kann man mit diesem Hinweis auf eine "Übererfassung von Todesfällen kurz nach Impfung" nicht einfach den Schwamm-Drüber-Blues anstimmen.
Fast alle der von mir zitierten Resultate der SCCS-Analyse haben weit reichende Konsequenzen für die tägliche Impfpraxis, wenn sie sich als real erweisen. Das muss geprüft werden. Stattdessen aber versuchte das RKI eine methodisch verpfuschte Studie durch ein Zurechtbiegen der Resultate "im Sinne des Impfgedankens" als korrekten Beitrag zur Impfstoff-Sicherheit zu verkaufen.
Und das ist eben eine glatte Manipulation.

Das Thema ist viel zu ernst, um hier sorglos oder nachlässig zu sein. Millionen von gesunden Kindern werden jährlich geimpft. Und deren Eltern wollen die größtmögliche Sicherheit, dass ihre Liebsten dabei nicht zu schaden kommen.
Diese Kinder müssen geschützt werden, und nicht irgendein anonymer "Impfgedanken".
Ich möchte jedenfalls nicht in der Haut dieser Beamten und Impfexperten stecken, wenn sich in einigen Jahren heraus stellen sollte, dass hier alle Warnzeichen einer Katastrophe ignoriert, manipuliert und kleingeredet wurden.

Ein zivilisiertes Land braucht auch endlich ein nationales Impfregister, in dem jede verimpfte Dosis namentlich registriert wird. "So etwas existiert in Deutschland nicht", antwortete mir Martin Schlaud auf meine diesbezügliche Frage. "Impfpässe verbleiben im Besitz der Eltern, ohne dass die dokumentierten Impfdaten an zentraler Stelle zusammengeführt würden."
Ebenso wenig gibt es ein bundesweites Sterberegister, in dem alle Todesbescheinigungen zentral verfügbar wären. "Prinzipiell", so Schlaud, "böte die Verknüpfung zwischen diesen Registern weitreichende Möglichkeiten für wissenschaftliche Untersuchungen von Zusammenhängen zwischen Impfungen und plötzlichen Todesfällen."

Prinzipiell wäre das eine gute Idee. Ja, aber der Datenschutz…

Manchmal habe ich den Eindruck, dass der Datenschutz ein idealer Verbündeter von Verantwortungslosigkeit Faulheit und Ignoranz ist.

Und dieselben Eigenschaften zeichnen auch Gesundheitsbehörden aus, welche sich bei jeder Gelegenheit mit der Industrie ins Bett legen und nichts so sehr fürchten wie eine objektive und unvoreingenommene Untersuchung der Impfstoff-Sicherheit.

Das Robert Koch Institut als jene Behörde, die Impfungen empfiehlt, damit zu beauftragen, die Sicherheit ihrer eigenen Empfehlungen zu bewerten, war von vornherein eine Schnapsidee. Befangenheit, nennt man das in der Rechtswissenschaft.
Wie sollte diese Behörde plötzlich als objektiver Gutachter auftreten - und beispielsweise nachweisen, dass einige dieser Impfungen auch Schaden anrichten: Es widerspricht der menschlichen Psyche diametral, Dinge, die einem emotional nahe gehen, objektiv bewerten zu können. Man sieht das, was man sehen will - das gilt auch in der Wissenschaft.
Und deshalb braucht es für die Untersuchung der Impfstoff-Sicherheit Fachleute, die neutral zum Thema stehen - und nicht solche, die ihr ganzes Berufsleben darauf aufgebaut haben, dass Impfungen schützen und nützen. Und zwar immer und ausnahmslos.

Eine seriöse Gesundheitspolitik müsste dem Robert Koch Institut, das in seiner Rolle so eindeutig befangen ist, diese Agenden wegnehmen und eine wirklich unabhängige wissenschaftliche Organisation mit der Neuauswertung und - wenn nötig - auch der Neuorganisation dieser Token-Studie beauftragen.

Denn die Fragen, welche die Token-Studie beantworten sollte, sind noch längst nicht geklärt.
Im Gegenteil: So wie das RKI hier vorgegangen ist, stürzt das Vertrauen in die Sicherheit der Baby-Impfungen ins Bodenlose ab.

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Mittwoch, 13. Juli 2011

Zum Verlauf der FSME bei Kindern

Es gibt recht wenig Informationen darüber, wie sich von Zecken übertragene Infektionen mit dem FSME-Virus bei Kindern auswirken, wie häufig diese Infekte sind und was im Ernstfall geschehen kann. Deshalb stelle ich hier eine gut gemachte Arbeit zu diesem Thema etwas genauer vor.




Die Steiermark hat 1,1 Mio. Einwohner und ist jenes österreichische Bundesland das traditionell am stärksten von der FSME betroffen ist.
Erstautor der Arbeit ist Peter Fritsch von der Meduni Graz. (Quelle: Acta Pædiatrica 2008; 97: 535–538)
Die Analyse schloss alle steirischen Kinder im Alter unter 16 Jahren ein, die während der Jahre 1981 bis inclusive 2005 an einer Labor-bestätigten FSME-Virus-Infektion erkrankt waren.

Da in der Anfangsphase der 80er Jahre noch keine Impfung zur Verfügung stand, bzw. noch die meisten Steirer ungeimpft waren, gab es hier die meisten FSME-Fälle: Rekord waren 21 Fälle pro Jahr, in einigen Jahren gab es aber auch gar keine FSME Fälle bei Kindern.

Insgesamt traten in der Steiermark in diesen 25 Jahren 116 Fälle von FSME bei Kindern auf, das sind knapp fünf Fälle pro Jahr.

Insgesamt mussten 6 dieser Kinder für etwa eine Woche in die Intensivstation aufgenommen werden.

Nach einer Aufenthaltsdauer von durchschnittlich 17 Tagen wurden fast alle Kinder gesund entlassen.

Nur bei zwei Kindern traten noch über einen längeren Zeitraum Probleme auf: Das eine erkrankte im Alter von 7 Jahren an FSME und hatte über einen Zeitraum von weiteren 7 Jahren immer wieder epileptische Anfälle. Die Anti-epileptische Therapie konnte dann im Alter von 19 Jahren eingestellt werden.

Das zweite Kind, ein fünfjähriges Mädchen, erkrankte am schwersten an FSME, brauchte eine lange Neuro-Rehabilitation und ist bis heute halbseitig gelähmt.

Insgesamt waren von den 116 Patienten 112 vollkommen ungeimpft. Zwei Kinder hatten eine Impf-Dosis, ein Patient zwei, und ein Patient die komplette Basis-Immunisierung mit drei Impfdosen.

Damit erkennt man, dass die FSME-Impfung sehr gut vor dem Auftreten dieser von den Zecken übertragenen viralen Infektion schützt.

Ausgerechnet der eine schwere Fall des fünfjährigen Mädchens, das bis heute Folgeprobleme hat, war jedoch das Kind mit der vollständigen Impf-Serie. Die Autoren der steirischen Studie nahmen an, dass der schwere Verlauf genetisch bedingt war, und das Mädchen an einer höheren Empfänglichkeit gegen diese Viren litt.

Zusammen fassend kann man aus der Studie also die Botschaft mitnehmen, dass:

  • Kinder unter 16 Jahren sehr selten an FSME erkranken
  • Dass die FSME-Impfung dieses geringe Risiko noch deutlich reduziert
  • Dass Kinder, die auf Grund eines Zeckenstichs an FSME erkranken, normalerweise keine Folgeschäden zurück behalten
  • Dass in den extrem seltenen Fällen, wo so etwas trotzdem passiert auch eine Impfung keinen sicheren Schutz bietet



Eine FSME ist bei Kindern meist nur eine FSM

Kinder erkranken meist nicht an einer Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), sondern "nur" an Meningitis. Die Patienten zeigen in dieser Krankheitsphase Fieber über 38°C, eine starke Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens sowie Kopfschmerzen, Erbrechen und Nackensteifigkeit.

Dass die FSME bei Erwachsenen eine schlechtere Prognose hat, liegt daran, dass die deutlich gefährlichere Meningoenzephalits mit zunehmendem Alter immer häufiger wird: Von 5% bei Kindern bis zu 60% bei älteren Menschen.
Klinisch zeigen diese tatsächlichen FSME-Patienten meist schon bei der stationären Aufnahme enzephalitische Symptome. Dabei werden am häufigsten Somnolenz sowie Verhaltens- und Wesensveränderungen beobachtet. Weitere Symptome sind Krampfanfälle, Lähmungen von Hirnnerven und/oder Extremitäten.



Zur Situation bei Babys im ersten Lebensjahr

Werner Zenz, Professor an der Kinderklinik der Meduni Graz erinnert sich an einen Fall eines Babys aus dem Jahr 1990, wo ein 3,5 Monate altes Kind an FSME erkrankt ist. Das war der damals weltweit einzige Fall bei einem Kind jünger als 12 Monate.
Fieber dauerte 6 Tage, die Krankheit insgesamt 18 Tage, wurde in der letzten Phase allerdings durch eine andere Erkältungsvirus-Infektion verlängert.

Das Baby war bei den Kontrollbesuchen im Krankenhaus vollständig ausgeheilt und gesund.

Ich fragte Prof. Zenz, ab wann er die Impfung empfiehlt. Seine Antwort:
"Ich empfehle ein Vorgehen nach dem Impfplan: Impfung aller Kinder ab dem 1. Lebensjahr, die in ein Risikogebiet reisen oder sich dort aufhalten"

Und ich füge noch hinzu: Für jene, die ihre Kinder nicht oder erst später gegen FSME impfen wollen, ergibt sich aus der steirischen Untersuchung immerhin die Gewissheit, dass bleibende Schäden zum einen extrem selten sind und zum zweiten auch durch eine Impfung nicht vollständig ausgeschlossen werden können.

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Montag, 23. Mai 2011

Wie viel Prävention verträgt die Gesundheit?

Gesundheit ist heute kein Lotteriespiel mehr. Vielen Krankheiten kann vorgebeugt werden. Wir wissen etwa, dass unsere Umwelt und unsere Lebensbedingungen Einfluss auf die Gesundheit nehmen. So schaden Rauchen, Übergewicht und Mangel an Bewegung dem Herzen. Darüber hinaus entschlüsseln Forscher zunehmend Gene, die für die herkömmlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich sind. Kann Prävention aufgezwungen werden? Was kostet sie? Kann ein Arzt einem Patienten die Behandlung verweigern, wenn dieser „riskant“ lebt?

Zu diesem Themenkreis diskutiere ich am 25. Mai im Rahmen des "EURAC science cafès" in Bozen mit Arne Pfeufer, Arbeitsgruppenleiter am EURAC-Institut für Genetische Medizin in Bozen. Moderiert wird die Veranstaltung von Jeanne Turczynski, Redakteurin in der Redaktion Wissenschaft und Bildung des Bayrischen Rundfunks. Beginn ist um 20,30 Uhr.

Sonntag, 15. Mai 2011

Studie: Je mehr Impfungen, desto höher die Kindersterblichkeit

In keinem Land werden die Babys häufiger geimpft als in den USA. Der erste Termin (Hepatitis B) folgt unmittelbar nach der Geburt, 25 weitere Impfdosen kommen im Lauf des ersten Lebensjahres dazu, um den Kindern den maximalen Schutz zu bieten. Zwei US-Impfexperten prüften, ob diese Rechnung auch tatsächlich auf geht und fanden einen beunruhigenden Zusammenhang: In Industrieländern wo mehr geimpft wird, ist die Kindersterblichkeit nicht geringer, sondern höher. 

Die Anfang Mai im Journal "Human and Experimental Toxicology" publizierte Arbeit stammt von Neil Z. Miller und Gary S. Goldman. Beide sind selbstständig tätige Impfexperten, die sich seit Jahren - meist kritisch - mit der aktuellen Impfpraxis in den USA befassen. Goldman ist der Gründer der Plattform Medical Veritas. In mehreren Arbeiten, die zum Teil hochrangig publiziert wurden und für enorme Aufmerksamkeit sorgten, berichtete er über einen dramatischen Anstieg der Gürtelrose - in Folge der in den USA bereits seit den 90er Jahren üblichen Massenimpfung gegen Windpocken. (Näheres dazu in diesem Beitrag)

In der aktuellen Arbeit suchten die beiden nach einer Methode, die Anzahl der Impfungen mit einem objektiven Maßstab für das Überleben der Kinder in Verbindung zu setzen. Als Quellen verwendeten sie die internationalen Statistiken der CIA zur Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahr, sowie eine Übersicht zu den nationalen Impfplänen.
In die Analyse aufgenommen wurden - ausgehend von den USA - alle Länder mit einer niedrigeren Kindersterblichkeit. Im World Factbook zur Kindersterblichkeit während des ersten Lebensjahres lagen die USA auf Rang 34, folglich galt es für 34 Länder die nationalen Impfpläne zu sammeln. Die europäischen Impfpläne entnahmen Miller und Goldman dem von der EU geförderten EUVAC-Netzwerk.

Bei der Auswertung ergab sich ein signifikanter linearer Zusammenhang zwischen der Anzahl der Impfungen und der Kindersterblichkeit. Der Zusammenhang war allerdings nicht - wie von den Gesundheitsbehörden postuliert - indirekt proportional: Dass ein Mehr an Impfungen schützt und nützt und zur niedrigeren Sterblichkeit der Babys während des riskanten ersten Lebensjahres beiträgt. Im Gegenteil, das Ergebnis lautete: Je mehr Impfungen, desto höher die Sterblichkeit.

Miller und Goldman leiten daraus die Frage ab, ob bestimmte Todesfälle mit einem Übermaß an Impfungen zu tun haben könnten. Und sie schreiben:

A closer inspection of correlations between vaccine doses, biochemical or synergistic toxicity, and Infant-Mortality-Rates, is essential. All nations—rich and poor, advanced and developing—have an obligation to determine whether their immunization schedules are achieving their desired goals.

Doch der Reihe nach. Sehen wir uns zunächst an, wie Miller und Goldman zu ihren Schlüssen kommen. Als Grundeinheit für die Menge an Impfungen, denen die Babys in den verschiedenen Ländern ausgesetzt werden, definierten die Autoren eine "Impfdosis" folgendermaßen:
A vaccine dose is an exact amount of medicine or drug to be administered. The number of doses a child receives should not be confused with the number of ‘vaccines’ or ‘injections’ given. For example, DTaP is given as a single injection but contains three separate vaccines (for diphtheria, tetanus, and pertussis) totaling three vaccine doses.

Eine Dreifach-Impfung gegen Diphtherie, Tetanus und Pertussis/Keuchhusten (DTaP) wurde demnach als drei Impf-Dosen gezählt. Die in Deutschland oder Österreich übliche Sechsfachimpfung für Babys als sechs Impf-Dosen.
In den USA umfasst der Impfplan für die Babys im ersten Lebensjahr dreimal die DTP-Impfung, dreimal Polio, dreimal Hib, dreimal Hepatitis B, dreimal Pneumokokken, dreimal Rotavirus und zweimal Influenza-Impfung. Das sind insgesamt 26 Dosen. In Kanada ist der Impfplan nur unwesentlich dünner besiedelt: Anstelle der Rotavirus-Impfung wird die Meningokokken-Impfung verabreicht, die Influenza Impfung ist nur einmal und nicht zweimal empfohlen.
In der Kindersterblichkeit liegen die USA auf Rang 34 mit 6,22 Todesfällen pro 1000 lebendgeborenen Kindern während des ersten Lebensjahres. Nahezu ebenso schlecht – auf Rang 31 – liegt Italien mit 5,51 Todesfällen, ein Land mit reich gefülltem Impfplan, der über die herrschende Impfpflicht nach dem Vorbild der USA auch noch besonders resolut umgesetzt wird. Kanada hält bei 5,04 Todesfällen und Rang 28.
Deutschland (3,99 Todesfälle) und Österreich (4,42 Todesfälle) rangieren im Vergleich der Industrieländer im Mittelfeld.
Die Rangliste der Länder mit der niedrigsten Sterblichkeit wird von Singapur (2,31 Todesfälle), Schweden (2,75) und Japan (2,79) angeführt.
Singapur kommt laut nationalem Impfplan auf 17 Impf-Dosen, Schweden und Japan mit 12 Dosen nicht einmal auf die Hälfte der in den USA oder Kanada verabreichten Impfungen.

In der Szene der Pro-Impf Blogger hat die Arbeit von Miller und Goldstein für helle Empörung gesorgt. Catherina fühlte sich auf Just the Vax an die alte These erinnert, dass der Storch die Babys bringt und zerriss die Methodik der Arbeit in der Luft. Recht ähnlich die Kritik von David Gorski auf seinem blog Sciene Based Medicine.
Mir selbst stieß beim Lesen der Studie auch einiges auf. Ich kontaktierte Neil Miller per mail und machte ihn darauf aufmerksam, dass der deutsche Impfplan in der Studie falsch übernommen wurde, weil die Hepatitis B-Impfung (die in der Sechsfachimpfung enthalten ist) fehlt. Miller schrieb zurück, dass ihm der Fehler leid tue und er das für die Print-Ausgabe des Journals korrigieren werde. Er habe die Auswertung von seinem Statistiker noch einmal nachrechnen lassen - an der zentralen Aussage der Arbeit ergäbe sich dadurch aber keine Änderung.

Weiters missfiel mit die von den Autoren gewählte Einheit der "Impfdosis". Denn eine Sechsfachimpfung ist sicherlich schonender für die Babys als die Verabreichung derselben "Impfdosis" in Form einer Dreifach- und drei Einzelimpfungen, wie das in den USA üblich ist.  Mit diesen vier Impfungen werden auch viermal die Aluminium-haltigen Wirkverstärker, Konservierungsmittel, Stabilisatoren und sonstige Zusatzstoffe verabreicht. Nirgends wird den Babys demnach so eine hohe Dosis der bekannt problematischen Aluminium-Verbindungen verabreicht wie in den USA oder Kanada. Hätten die Autoren die Einheit anders gewählt, wäre der von ihnen gefundene Zusammenhang möglicherweise noch deutlicher gewesen.

Eine weitere Schwäche der Arbeit ist die Nicht-Berücksichtigung der Impfrate. Es macht ja einen gewaltigen Unterschied, ob eine behördliche Impfempfehlung, von der Bevölkerung angenommen oder ignoriert wird.
Ein Beispiel hierfür ist die teure Pneumokokken-Impfung, die in Österreich behördlich empfohlen, von den Kassen - im Gegensatz zu Deutschland - aber nicht bezahlt wird. Zwar gibt es immer wieder verbilligte Impfaktionen, dennoch sind nicht einmal 20 Prozent der österreichischen Babys gegen Pneumokokken geimpft. Die Impfrate in Deutschland liegt hingegen über 80 Prozent.
Auf derartige Unterschiede nimmt die aktuelle Studie keine Rücksicht. Der Aufwand, in 34 Ländern diese Daten auszukundschaften, hätte ihre Möglichkeiten überstiegen, entgegnete mir Miller auf meinen diesbezüglichen Vorhalt.

Sicherlich gibt es - außer den Impfraten - noch eine Unzahl weiterer Einflüsse auf das Überleben der Babys im ersten Lebensjahr. Dazu zählen soziale Maßnahmen, etwa eine ausreichende materielle Absicherung der Mütter, ebenso wie Fragen der medizinischen Infrastruktur, die in den Ländern unterschiedlich entwickelt sind.
Dennoch halte ich es für unverschämt, wenn nun allein der Forschungs-Ansatz, den Miller und Goldman gewählt haben, bereits als eine Art Sakrileg gilt, oder als unzulässige Korrelation zweier nicht zusammenhängender Einflüsse abgewertet wird.
Impfungen und Kindersterblichkeit haben wahrlich mehr miteinander zu tun als die Anzahl der Störche mit den Geburten. Allein schon deshalb, weil ja die Impfungen in allen Ratgebern als deklarierte Maßnahme zur Senkung der Kindersterblichkeit beworben werden. Von einem offiziellen Ansiedlungsprogramm für Störche zur Förderung der Geburtenzahl in der Region habe ich hingegen noch nie etwas gehört.

Es muss erlaubt sein, auch im Bereich des Impfwesens "ungehörige" Fragen zu stellen und althergebrachte Wahrheiten auf ihre tatsächliche Relevanz zu prüfen.
Wenn sich nun in der vorliegenden Arbeit heraus stellt, dass die Häufigkeit der Impfungen nicht positiv sondern negativ mit dem Überleben der Kinder korreliert, so halte ich das noch keinesfalls für eine gültige Schlussfolgerung. Zumal die Studie so viele Schwächen und Fragezeichen beinhaltet.

Miller und Goldman können aber durchaus das Verdienst beanspruchen, dass es nun nicht mehr so einfach möglich ist, unwidersprochen und ohne jegliche Beweispflicht festzustellen, dass Impfungen selbstverständlich die Kindersterblichkeit senken. Und dass jene Länder, die ihre Kinder am meisten impfen, die Kindersterblichkeit am meisten senken.

Für diese Aussage gibt es keinen Beleg.

Insofern haben Miller und Goldman einen recht einfachen Weg gefunden, Dogmen des Impfwesens in Frage  zu stellen, ohne Millionen an Forschungsgeldern auftreiben zu müssen, die für impfkritische Forschungsfragen im Normalfall ohnehin nie gewährt werden.

Wenn man dieses Konzept weiter verfolgt und zudem auch die internationalen Impfpläne ordentlich aufarbeitet, so sind durchaus noch einige weitere Fragen möglich, die über die Korrelation zwischen Impfungen und der Inzidenz bestimmter Krankheiten geprüft werden könnten. Wenn das wissenschaftlich korrekt und mit nachvollziehbarer Methodik durchgeführt wird, so fiele es auch schwer das von medizinischer Seite abzutun, zumal der Zusammenhang von Dosis und Wirkung ja eine der zentralen Lehrsätze naturwissenschaftlichen Denkens darstellt.

Insofern könnte man folgende weitere - als selbstverständlich angesehene - Wahrheiten des Impfwesens einem Elchtest unterziehen:
  • Die Anzahl der Impfungen hat nichts mit der Häufigkeit von ADHS zu tun.
  • Je mehr Impfungen desto weniger Allergien
  • Je mehr Impfungen desto niedriger ist das Asthma-Risiko
  • Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autoimmun-Krankheiten
  • Die in den Impfungen enthaltene Menge an Aluminium hat überhaupt nichts mit der länderspezifischen Inzidenz von Autismus zu tun.

Ich halte die Möglichkeit, dass diese Dogmen ebenfalls kippen, für durchaus gegeben.

Mittwoch, 4. Mai 2011

Der Ursprung der Schönheit

Der Münchner Evolutionsbiologe Josef H. Reichholf über den evolutionären Zweck der Schönheit und Darwins größtes Dilemma.


Ehgartner: Nach Charles Darwin ist die natürliche Selektion eines der wichtigsten Kriterien der Evolution. Die am besten an ihre Umgebung angepassten Individuen überleben. Sind da nicht manche auffällig gefärbte Tiere viel zu schön um zu überleben?

Reichholf: Diese Frage war Darwins Dilemma und hat ihn sehr beschäftigt. Wir wissen heute, dass Anpassung eine Möglichkeit ist, aber nicht unbedingt eine Notwendigkeit. Schönheit kann evolutionäre Vorteile bieten, die jene der simplen Tarnung weit übersteigen.

Ehgartner: Warum erscheinen uns die Schmetterlinge so schön?

Reichholf: Das hat mehrere Gründe. Wenn das Tagpfauenauge seine Flügel präsentiert, so wirkt es auf Feinde wie das plötzliche Auftauchen eines Augenpaares. Es entsteht eine Abschreckwirkung. Ich habe beobachtet, wie eine Katze vor Schreck fast abgestürzt ist, als das Tagpfauenauge, das mit zusammen geklappten Flügeln da saß plötzlich diese aufmachte – und plötzlich das große Augenpaar vor der Katze war. Und ähnlich ergeht es den Vögeln. Man kann das Präsentieren auch mit leichtem Anstoßen regelrecht auslösen. Wer das nicht weiß, da erschrickt auch der Mensch für eine Sekunde. Das führt weiter zu den Warnfarben vor Giftigkeit. Und die müssen in klaren Mustern erscheinen, damit sich das den Fressfeinden einprägt. Deshalb sind das auch keine unregelmäßige Flecken. Denken Sie an das Wespenmuster: gelb-schwarz.
Dann kommen Muster der dritten Kategorie, die herausgelöst aus der natürlichen Umgebung ungewöhnlich wirken. Wenn man die Tiere aber in ihrem Umfeld beobachtet, so merkt man, dass auch grelle Farben tarnend sein können. Etwa bei den großen Morphofaltern Südamerikas (Foto) mit ihrem fantastischen Blau, wo man denkt, das muss doch auffallen und Feinde anziehen. Aber das tut es nicht. Diese Tiere fliegen im Tropenwald, der sehr schattig ist. Dann kommen aber Lichtzonen, der Schmetterling blitzt auf und ist im nächsten Moment verschwunden, weil er wieder in den Schatten kommt. Die Vögel treibt das zur Verzweiflung, weil dieser große Schmetterling da und dort aufblitzt und dann sofort wieder verschwindet.

Ehgartner: Mit der Partnerwahl hat diese auffallende Färbung also gar nichts zu tun?

Reichholf: Nein, und darum habe ich das in meinem Buch auch gar nicht behandelt, weil die sexuelle Selektion hier kaum eine Rolle spielt. Eine Ausnahme ist der Zitronenfalter. Da sind die Weibchen, so wie Kohlweißlinge ganz hell und die Männchen zitronengelb. Sie wirken damit auf die Weibchen sehr wohl anlockend, die Weibchen tarnen sich aber – und sehen täuschend den schlecht schmeckenden Kohlweißlingen ähnlich. Die Vögel wissen, diese Schmetterlinge schmecken scheußlich. Das ist für die Weibchen ganz wichtig, weil sie den Hinterleib voller Eier haben und deshalb langsamer sind.
Die Männchen brauchen das nicht. Deshalb können sie auffälliger sein und überleben trotzdem besser. Wo immer sie nachsehen, sie werden sicher mehr Männchen vom Zitronenfalter finden als Weibchen.

Ehgartner: Gilt das auch für die Stockenten, wo ja die Männchen prächtig bunt sind – die Weibchen hingegen tarnfarben braun?

Reichholf: Ja, die Weibchen sitzen dann auf den Gelegen und müssen sich vor den Feinden tarnen. Trotzdem sind sie seltener als die Männchen, weil diese auf sich schauen können und nicht an einen Platz gebunden sind. Der Erpel haut halt ab, wenn der Habicht kommt oder der Fuchs. Die Ente muss zum Gelege zurück, sonst ist ihre ganze Investition beim Teufel.

Stockenten-Paar (Foto: Richard Bartz)


Ehgartner: Das heißt es geht in der Natur sehr viel um Energie, die möglichst rationell investiert wird. Worauf achtet denn ein Weibchen, wenn sie sich den passenden Erpel aussucht?

Reichholf: Die Erpel unterscheiden sich wenig. Ein Männchen muss einfach dem Schema dieser charakteristischen Färbung entsprechen. Er sollte keine Mängel in der Gefieder-Zeichnung haben. Diese Männchen werden nur dann akzeptiert, wenn – etwa in der Haustierhaltung - keine Normalfarbenen vorhanden sind. Aber ob der Kopf jetzt etwas mehr oder weniger grün schillert, das macht keinen Unterschied. Die Weibchen wählen, während die Männchen eine Balzgruppe bilden, jene Erpel, die am ausdauernsten balzen. Das sind die körperlich fitten. Es geht um den Aspekt, was die Kerle leisten können, weniger, wie sie aussehen.

Ehgartner: Manche Tiere scheinen wie geschaffen für Fressfeinde. Wie ist es erklärbar, dass ein Pfau in der Wildnis überleben konnte. Diese extravagante Schönheit behindert ihn doch stark im Fluchtverhalten.

Reichholf: Das scheint nur so. Zum einen wirkt der Pfau mit seinem eindrucksvollen Rad und den vielen Augen abschreckend auf Angreifer, zum zweiten kann er die Federn im Notfall über den Mechanismus einer Schreckmauser spontan abwerfen. Die Energie, die Weibchen in die Aufzucht der Jungen investieren, geht bei den Männchen in die Schönheit.

Ehgartner: Was zeichnet denn Tierarten aus, wo Männchen und Weibchen optisch kaum zu unterscheiden sind?

Reichholf: Während etwa die Erpel der Stockenten spätestens dann, wenn die Weibchen auf dem Gelege sitzen, wieder ihrer Wege gehen, sind bei diesen Arten die Männchen voll in die Aufzucht der Jungen involviert. Dazu zählen viele Singvogelarten, bei denen die Investition in den Nachwuchs zwischen den Geschlechtern nahezu gleich ist. In der Zeit der Balz gleichen die Männchen diesen Mangel an Schönheit dadurch aus, dass sie sehr gut und variantenreich singen. Die Nachtigall ist ja das Musterbeispiel mit einer Farbe die so unscheinbar ist, dass man sie kaum beschreiben kann, aber ein fantastischer Gesang der Männchen, wo sich auch jedes individuell vom anderen unterscheidet, so dass die Nachbarn immer genau wissen, wer da jetzt singt und ob es sich lohnt, hier eine Rauferei anzufangen, oder ob die Verhältnisse eh schon klar sind.

Ehgartner: Sie beschreiben in Ihrem Buch, dass die Stockenten-Erpel nicht mit ihrer Balz aufhören, wenn die Weibchen längst brüten, sondern sich mit den anderen Männchen weiter in ihrer Balzgruppe treffen. Was bezwecken sie damit?

Reichholf: Das ist eine Neuinterpretation von mir, die ich hier vorlege. Ich habe überall in der Literatur nachgeforscht, warum das so ist und keine Erklärung gefunden. Ich habe nun eine wie ich denke plausible Interpretation. Die Weibchen verlieren ja zu einem hohen Prozentsatz ihre Gelege, wenn die von Feinden entdeckt werden. Wenn die Enten noch gut in Form sind, können sie ein Nachgelege fabrizieren. Aber es muss ja jedes Ei zur rechten Zeit, bevor die Kalkschale abgelagert wird, befruchtet werden. Also brauchen diese Enten sofort wieder einen Erpel, der das Sperma liefert. Da aber bei den Vögeln die Aktivitätszeit der Gonaden sehr klar mit der Fortpflanzung verbunden sind und dann rasch wieder abnimmt, so dass die Männchen einen Großteil des Jahres Neutren sind, würde das bedeuten, dass die Enten, wenn sie ihr Gelege verlieren und ihr Erpel sie verlassen hat und die anderen Erpel auch nicht mehr in Balzstimmung sind und kein Sperma produzieren, dass sie niemand finden. Wenn sich aber die Erpel gegenseitig in dieser Männergruppe permanent stimulieren, so bleiben die Hoden aktiv. Und wenn ein Weibchen kommt, können sie die Eier wieder befruchten.

Ehgartner: Wobei das für die Weibchen auch ein hohes Risiko bedeutet.

Reichholf: Ja, das ist die andere Seite. Es kommt zu Vergewaltigungen, weil die Erpel noch voll aktiv sind – und die Weibchen immer rarer werden, weil sich die meisten mit dem Gelege zurück gezogen haben. Dadurch besteht eine große Gefahr für die verbleibenden Enten, vergewaltigt zu werden. Unter Umständen bis zum Tod.

Ehgartner: Bei anderen Tierarten, wie etwa den Schimpansen, erkennen die Männchen an typischen Genitalschwellungen, wenn die Weibchen befruchtungsfähig sind. Warum ist das bei den Menschen so anders als bei den Primaten?

Reichholf: Diese Frage habe ich befürchtet, weil sich die meisten Biologen darum herumdrücken. Wir haben zwei klare Befunde. Der eine ist anatomischer Natur. Wir sind ja aufgerichtet, und wenn es zu so einer Schwellung käme wie bei den Menschenaffen, so könnte die Menschenfrau nicht mehr gehen. Das darf nicht sein. Die Frage ist, warum es nicht zu einer Art Ersatzsystem kommt. Etwa über den Geruch. Bei der Menschenfrau ist der Eisprung aber gänzlich verborgen. Die verborgene Ovulation ist das größere Rätsel. Nicht einmal der eigene Mann, der in intimster Nähe mit der Frau lebt, kann erkennen, ob sie jetzt fruchtbar ist, oder nicht. Die Frau kann es spüren, auch nicht hundertprozentig, aber doch. So dass bei beabsichtigten Seitensprüngen so genannte Kuckuckskinder zustande kommen, weil die Frauen ihre fruchtbaren Tage dafür eingesetzt haben. Man sagt ja, dass bei Frauen bis zu 20 Prozent der geborenen Babys nicht vom offiziellen Vater stammen. Es ist aber kein verlässliches Zeichen, dass jetzt die Zeit für eine Fortpflanzung günstig wäre. Und deshalb muss es hier eine andere Erklärung geben. Das ist die Notwendigkeit der Bindung von Mann und Frau im Hinblick auf den so klein und hilflos geborenen Nachwuchs. Das Menschenbaby kommt ja wie eine Frühgeburt zur Welt und sollte eigentlich noch fast ein Jahr länger im Mutterleib sein, um den Zustand zu erreichen, in dem zum Beispiel ein Schimpansenbaby geboren wird. Die nachgeburtliche Entwicklung verläuft ebenso langsam, so dass wir erst im Alter von zwölf bis 15 Jahren – anfangen, funktionsfähige Geschlechtsorgane zu bekommen. Da haben die allermeisten Säugetiere längst mehrere erfolgreiche Paarungen und Schwangerschaften vollzogen. Diese lange Phase ist der Grund dafür, dass der Partner verlässlich genug bei ihr bleiben soll, um das Kind und die Mutter über diese Phase der Unselbständigkeit hinaus zu bringen. Die Partnerbindung spielt beim Menschen demnach eine ganz ganz große Rolle. Am besten ausgedrückt wird das über die Eifersucht. Ein Schimpanse wird auch eifersüchtig, wenn er sieht, dass sich ein Weibchen mit einem Nebenbuhler paart. Aber das wirkt nicht nach, das vergeht wie ein kurzes Aufwallen von Zorn. Beim Menschen hingegen kann die Eifersucht anhalten und immens zerstörerisch werden. Diese Bindung – muss in früherer Zeit so notwendig gewesen sein für das Überleben der Menschen, dass dieses zusätzliche Sicherungssystem entstand.

Ehgartner: Liegt hier auch der Grund, warum bei den Menschen – im Gegensatz zu den allermeisten Tieren – die Frau als das schöne Geschlecht gilt. Macht sich die Frau schön, um diese Bindung zu unterstützen?

Reichholf: Ja. Das ist einer der beiden Hauptgründe. Der zweite ist, dass Frauen nur eine vergleichsweise kurze Fortpflanzungsphase haben. Meist stehen mehr Männer zur Verfügung, die Nachwuchs liefern könnten als fortpflanzungsfähige Frauen. Es rücken aber permanent auch jüngere Frauen nach. Die Gegenreaktion ist, sich entsprechend attraktiv zu machen. Das beginnt bei den jungen Mädchen und läuft weiter bis über die fortpflanzungsfähige Phase hinaus, wo sich die Frauen so zurecht machen, dass sie von den äußeren Signalen her den Eindruck erwecken könnten, wenn man es rein biologisch betrachtet – mit intensiv roten Lippen, hochgezogenem Busen – dass sie noch in der Lage sind, Kinder zu bekommen. Auf dieses uralte Signalsystem sprechen die Männer an – und, was ganz besonders wichtig ist: auch die anderen Frauen. Denn die Konkurrenz der Frauen untereinander ist immens große. So dass wir eben das Phänomen haben, dass Frauen immer möglichst anders aussehen wollen als andere Frauen, in der Kleidung, in der Frisur, im Äußeren. Das Individuelle ist viel ausgeprägter als bei den Männern. Die lassen sich fast widerstandslos uniformieren.

Ehgartner: Aber als selteneres Geschlecht haben Frauen doch eine breitere Wahlmöglichkeit. Da müsste der Konkurrenzdruck doch geringer sein?

Reichholf: Das scheint nur so. Bei den Männern sind ja höchst unterschiedliche Verhältnisse. Früher bezog sich das auf die Fähigkeit zu jagen oder die Menge der Rinder, die einer besaß, heute gilt dasselbe für die finanziellen Verhältnisse. Es gibt viele Männer, die wenig zu bieten haben und demnach wenig attraktiv sind. Die können sexuell sehr gut sein, aber sie haben keine Ressourcen, um den Kindern Sicherheit zu geben, oder den Frauen entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sich diese in der Konkurrenz der Frauen untereinander entsprechend gut darstellen können. Das ist ja der Hintergrund auch der Harembildung. Männer, die derartig wohlhabend sind, sind ganz besonders attraktiv und deshalb konkurrieren die Frauen um diese wirtschaftlich potenten Männer. Denn sexuell potente Männer können sie sich bei Bedarf ja auch angeln. Aber von dem wollen sie nicht abhängig sein.

Ehgartner: Stärke, Größe und Schönheit, die bei den Tieren wichtig ist, wird bei den Menschen-Männern also durch Ressourcen ersetzt.

Reichholf: Ja, genau. Deshalb ist in Gesellschaften, wo die Großfamilien noch funktionieren das Konkurrenzverhalten der darin etablierten Frauen viel geringer. Weil die Frauen hier die Sicherheit haben, dass die Kinder vom Familienverbund notfalls unterstützt wird. In einer Kernfamilie sind die Frauen aber viel mehr von den wirtschaftlichen Gegebenheiten abhängig. Und das ist wahrscheinlich auch der Hintergrund, warum Frauen im modernen Arbeitsleben, weil sie selbst die Ressourcen beschaffen müssen, die Kinderzahl so drastisch reduziert haben.

Ehgartner: Wer wählt denn nun den Partner aus? Die Männer oder die Frauen?

Reichholf: Das machen ganz eindeutig die Frauen. Man sieht es ja bei den jungen Männern, wie sich die präsentieren, welche Rolle etwa das Auto spielt. Man kann dann zeigen, dass man zumindestens potente Eltern hat. Oder die sportlichen Betätigungen, welche die Fitness beweisen sollen. Das ist bei den jungen Männern viel stärker ausgeprägt.

Ehgartner: Das Alter von 18 bis 22 Jahre gilt hier ja auch als höchst lebensgefährliche Phase. Ist das eine Erblast aus dem Tierreich?

Reichholf: Vielleicht. Dem muss man aber entgegen stellen, dass bis vor etwa 100 Jahren die Frauen durch die Geburten sehr gefährdet gewesen. Viele sind gestorben. Das steht der Tendenz der jungen Männer gegenüber, sich aggressiv auseinander zu setzen. Man hat das ausgenützt, um die jungen Männer, die entbehrlich schienen, in den Krieg zu schicken. Wenn es diese Tendenz nicht gäbe, hätten – so wie bei den Tieren – die Männer eigentlich die besseren Überlebens-Chancen, weil ja die Gefährdung durch die Geburten wegfiel.

Ehgartner: Warum gelten denn lange Beine als schön?

Reichholf: Das stammt aus der Zeit als der Mensch zum Menschen wurde. Wir sind ja Läufer und Nomaden – also zählte von der Körperform das, was für das Nomadenleben ideal war, eben die langen Beine mit einem wohlproportionierten Körper. So ausdauernd zu laufen wie Menschen, das kann kein anderes Säugetier.

Venus von Willendorf
(Foto: Matthias Kabel)
Ehgartner: Wieso wird dann eine Venus von Willendorf mit ihren üppigen Formen als Schönheits-Symbol der Steinzeit angesehen?

Reichholf: Ich glaube, dass diese Figur schon von der ursprünglichen Form des Steines weitgehend vorgegeben war. Das hat viel mehr mit Fruchtbarkeit zu tun, denn mit Schönheit. Das ist was anderes. Eine Frau mit einem großen Busen hat eher die Attribute einer Amme. Ammen waren sehr wichtig, weil eben viele Frauen im Kindbett gestorben sind. So füllig dicke wie die Venus-Figur sind in keiner einzigen Kultur weltweit ein Schönheitsideal. Die Proportionaliät ist das entscheidende.

Ehgartner: Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Schönheit in den Kulturen immer um einen Durschnitt definiert.

Reichholf: Ja, aber diese absoluten Durchschnitts-Gesichter sind eine eher kalte Schönheit. Erst die Abweichung macht das Individuum aus.

Ehgartner: Meinen Sie ein Muttermal oder eine leichte Asymmetrie?

Reichholf: Ja. In Kulturen wie Indien ist das weit verbreitet, wo dann die Gesichter sehr symmetrisch sind, wird ein Schönheitspunkt gemacht. Das soll als kleine Abweichung von der Norm das Individuelle betonen.

Ehgartner: Was macht denn das Individuelle so attraktiv?

Reichholf: Weil daraus erst die Möglichkeit einer Bindung zustande kommt. Nur wenn ich meinen Partner als Individuum erkennen kann, ist es möglich sich auch persönlich zu binden. Wenn wir alle Normmenschen wären, die alle gleich sind, dann wäre es völlig egal, mit wem man zusammen ist.

Ehgartner: Die Eigenart befördert also die Dauerbindung?

Reichholf: Deswegen sagt man ja auch zurecht, dass die Persönlichkeit sich entfalten muss. Den Müttern passt das nicht, aber Babys schauen noch weitgehend gleich aus. Die individuelle Variation ist noch zu gering, um aus dem Babygesicht heraus das spätere Erwachsenengesicht erkennen zu können. Wenn ein Baby wirklich schon so stark abweicht, dann erschrickt man fast, weil es nicht dem Kindchenschema entspricht. Mit der geistigen Entwicklung wird man schließlich zur Person, zur unwiederholbaren Individualität.

Ehgartner: Was vermittelt denn Schönheit bei der Partnersuche?

Reichholf: Vor allem Gesundheit. Da hat man seit langem Befunde, die zeigen, dass für die gesunde Entwicklung des Körpers – speziell eines so komplizierten wie des Menschen – ungestörte Abläufe notwendig sind. Das äußert sich darin, dass die verschiedenen Körperteile symmetrisch sind und proportional zueinander passen. Wir können uns nicht leisten, dass ein Bein auch nur einen Zentimeter kürzer ist, als das andere. Dann hinkt man und neigt zum Stolpern. Wir können uns aber sehr wohl unterschiedliche Nasenformen leisten, weil die Fähigkeit zu riechen damit wenig zu tun hat. Die Variation beim Menschen bezieht sich auf nicht lebensnotwendige Äußerlichkeiten. Für alles wichtige haben wir eine tief verinnerlichte Norm. Es fällt uns sofort auf, wenn ein Kopf zu klein ist, oder die Augen nicht parallel zueinander stehen.

Ehgartner: Wird die Menschheit eigentlich immer schöner, wo doch alle in der Partnerwahl so auf Schönheit achten?

Reichholf: Nein, es würde nur bedeuten, dass die Variation kleiner wird. Abweichungen bringen ja oft das Problem einer emotionalen Ausgrenzung mit sich. Früher drohte man den Kindern noch offen mit dem Schwarzen Mann. Das ist Gott sei Dank verpönt, aber die spontane Furchtreaktion ist bei den Kindern noch da, wenn die zum ersten Mal einen Schwarzen sehen. Das ist außerhalb der ihnen vertrauten Variationsbreite. Ebenso geht es den schwarzen Kindern mit einem Weißen. Gleichzeitig garantiert aber dieses zentripedale immer wieder die Durchmischung des Erbgutes. Das Ideal der Schönheit wird ja ohnehin nur ganz selten erreicht. Und die haben in der Regel auch ganz wenig Nachwuchs.

Ehgartner: Warum?

Reichholf: Eine Erklärung ist, dass diese Menschen so sehr mit ihrer eigenen Schönheit beschäftigt sind, dass sie die minder Schönen ihrer Umgebung zwar anziehen, sich mit diesen aber nicht fortpflanzen möchten. Sie haben eine psychologische Hemmung.
Die biologische Erklärung, für die ich als Biologe etwas mehr Sympathie habe, bezieht sich darauf, dass bei einem Menschen wo von Vater und Mutterseite alles stimmt, auch die Gefahr besteht, dass verborgene Fehler im Erbgut zusammen stimmen. Wenn die Eltern unterschiedlicher sind, ist diese Gefahr geringer.

Ehgartner: Wie beurteilen Sie den Trend zur Haarlosigkeit? Sogar bei den Männern wird es modern, sich am ganzen Körper zu rasieren.

Reichholf: Haarlosigkeit ist ein Jugendlichkeits-Merkmal und Ausdruck dafür, dass man jünger erscheinen möchte als man tatsächlich ist. Ich halte diesen Trend hauptsächlich begründbar aus diesem fast suchtartigen Streben jünger zu wirken. Gerade durch die Entfernung der Haare wird die kindliche Haut nachgeahmt. Die Schamhaare auszuzupfen, das wurde aber auch in anderen Kulturen traditionell gemacht. Etwa bei den Amazonischen Indianern, die ja in ihrem Klima eigentlich nackt gehen sollten. Was ihnen die Missionare in dieser feuchten Wärme verordnet haben, war schädlich. Es macht Hautpilze und ist eine große Gefahr. Nur wenn die nackte Haut dem Sonnenlicht ausgesetzt wird, kann man die Verpilzung in Schach halten.



Josef H. Reichholf, 66, ist Evolutionsbiologe und war bis zu seiner Emeritierung Professor für Ökologie und Naturschutz an der TU-München sowie Leiter der Wirbeltierabteilung der Zoologischen Staatssammlung. Aktuelle Veröffentlichung: „Der Ursprung der Schönheit“ C.H. Beck, München 2011
Dieses Gespräch ist die Langfassung eines Interviews, das im Rahmen der Titelgeschichte "Damenwahl" in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins profil erschienen ist.