Samstag, 21. Juli 2012

Hepatitis B - Wie hoch ist das Risiko wirklich?

Zur Gefährlichkeit von Hepatitis B gibt es unterschiedliche Angaben, sowohl was den Verlauf der Infektion als auch die Gefahr der Ansteckung betrifft.
Der Wiener Impfexperte Wolfgang M., Initiator von impfinformationen.de, der damit sympathisiert, "Impfgegner mit nassen Fetzen zu jagen", erklärt, dass "von normalen sozialen Kontakten" das größte Infektionsrisiko ausgeht. Auf Türgriffen könne Hepatitis B bis zu einer Woche überleben, in einem Milliliter Speichel fänden sich bei Infizierten rund 20.000 Viren. Und auch wenn Hepatitis B bei den angesteckten Kindern "regelmäßig ohne Symptome verläuft", schreibt Wolfgang M., sei das noch kein Grund zur Entwarnung, denn:
Diese infizierten Kinder werden je nach Alter von null bis drei Jahren zwischen 95% und ca 30% so genannte "gesunde" Virusträger, die dann aber im 3. bis 4. Lebensjahrzehnt sehr häufig massive Leberprobleme bekommen (Fibrose, Zirrhose, Leberzellkarzinom) und die natürlich andere anstecken können weil infektiös.

Dass chronische Hep-B Infektion ein Risikofaktor für Leberkrebs ist, bestreite ich nicht. So wie auch eine chronische Zervix-Entzündung ein Risikofaktor für Zervix-Karzinom oder eine chronische Magenentzündung ein Risikofaktor für Magenkrebs ist. Die meisten viralen Infektionen sind jedoch nicht chronisch, sondern vorübergehend. Den Teufel an die Wand zu malen und nach 30 oder 40 Jahren schlimmes Unglück zu prophezeihen ist schon deshalb problematisch, als es über so lange Zeiträume kaum relevante Studien gibt und derartige Vorhersagen eher mit Astrologie denn mit Wissenschaft verwandt sind.
Wenn es denn so wäre, dass chronische virale Infekte so lange bestehen, so wäre es wohl vernünftiger, diese Risikogruppe zu identifizieren und Energie in die Entwicklung einer Therapie für diese Menschen zu setzen.

Aber folgen wir seiner Argumentation noch ein Stück weiter:
Wolfgang M. behauptet, dass Hep B Infektionen im Säuglings und Kleinkindalter ein relevantes Problem sind. So relevant, dass mit der Impfung der Risikogruppe (Babys von HBsAg positiver Schwangerer) das Problem nicht in den Griff zu kriegen wäre. Deshalb müssten ALLE Kinder geimpft werden. Und er behauptet weiters, dass viele der bei der Geburt infizierten Babys nur scheinbar gesund und symptomlos sind und zwischendurch stecken sie (über Speichel und sogar von Türgriffen war die Rede) noch jede Menge Kontaktpersonen in Kindergruppe, Schule (und später dann beim GV) an.

Dann sehen wir uns doch einmal an, ob dieses Horrorszenario der Wahrheit entspricht.
Wenn dem so wäre, so müsste das ja sichtbar sein, indem vermehrt junge Menschen außerhalb der Risikogruppen (z.B. Drogensüchtige) an Hepatitis B erkranken.

In Dänemark wurden über einen Zeitraum von zwei Jahren alle schwangeren Frauen auf HBsAg (Test auf Infektion mit dem Hepatitis B Virus) getestet. Dort wo der Test positiv ausfiel wurden die Babys geimpft. Die Gesundheitsbehörden erreichten damit eine Impfrate von 96 Prozent in der Risikogruppe. Die zugehörige Studie ist kürzlich im Journal "Vaccine" erschienen. 
Es stimmt also schon einmal nicht, dass die Risikogruppe nicht ausfindig zu machen wäre.
Auch in Deutschland und Österreich gehört ein Test auf HBsAg zum Standard - wird in der zweiten Schwangerschaftshälfte routinemäßig durchgeführt.
Warum also impft man nicht nur diese Risikogruppe?

Wegen des hohen Ansteckungsrisikos sagen die Befürworter der Impfung.
Dann sehen wir mal, wie es um dieses Argument steht und wie hoch das Ansteckungsrisiko tatsächlich ist:
Von 140.376 schwangeren Frauen, die im Lauf der zwei Jahre in Dänemark getestet wurden, war der HBsAg Nachweis bei 371 Frauen positiv. Zum Großteil handelte es sich dabei um Frauen aus Einwanderer-Familien, welche die Infektion wahrscheinlich in ihren Herkunftsländern erworben hatten. Schwangere, die im Ausland geboren waren, hatten eine Infektionsrate von 2,74 %. Am höchsten war der Prozentsatz Infizierter bei Frauen aus Südost-Asien (14,5 %).
Bei in Dänemark geborenen Frauen war hingegen der HBsAg Test gerade mal in 17 Fällen positiv. 
In Dänemark geborene Frauen - egal welcher Nationalität - haben also ein Infektionsrisiko von 0,01 %. Das zeigt, dass das Ansteckungsrisiko in Dänemark extrem niedrig ist.
Zudem ist nicht bekannt, wie viele der 17 HBsAg-positiven Frauen aus den bekannten Hepatitis B Risikogruppen (z.B. Drogensüchtige, Prostituierte) stammen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es einige sind - und damit zeigt sich, dass das Risiko für gesunde Personen außerhalb der Risikogruppen kaum existent ist. 


Gehen wir also nun zum Effekt der Impfung in dieser identifizierten Risikogruppe. 
Das Risiko einer Übertragung von Hepatitis B Viren von der Mutter auf das Kind wird in der Literatur mit 5 bis 12 % angegeben. Von den 17 Frauen hätten also - ohne Impfprogramm - eine bis zwei Mütter die Viren auf ihr Baby übertragen. Das ist weniger als eine Infektion pro Jahr. 
Bei in Dänemark geborenen Schwangeren vermag die Impfung der Risikogruppen also eine Infektion pro Jahr zu vermeiden. Und das bei einer Durchimpfungsrate von 96 Prozent, also einer nahezu vollständigen Erfassung der Risikogruppe!   


Wie sehr dieser Effekt durch die Impfung der Gesamtbevölkerung noch gesteigert werden sollte, ist mir ein vollständiges Rätsel. 


Fassen wir also noch einmal die dänischen Erfahrungen zusammen: 
  • Das Risiko einer Infektion für im Inland geborene Frauen ist extrem niedrig (erst recht, wenn sie keiner der bekannten Risikogruppen angehören) 
  • Die Impfung auf die Risikogruppen zu beschränken - würde im Rahmen eines guten Hep-B-Screeningprogramms den selben Effekt haben, wie die Impfung aller Babys 
  • Die Impfung auf Risikogruppen zu beschränken, würde den positiven Effekt der Impfung maximieren - bei gleichzeitiger Vermeidung von Nebenwirkungen bei Babys, die keiner Risikogruppe angehören. 
  • Anstatt 140.000 Babys zu impfen, genügt es - mit dem selben Effekt - die Impfung auf 370 Babys HBsAg-positiver Mütter zu beschränken. 
Wenn schon allgemeine Impfprogramme gegen Hepatitis B, dann sollten diese wohl eher dort durchgeführt werden, wo die Bedrohung für die Gesamtbevölkerung relevant ist, also etwa in Südostasien.
Tatsächlich gibt es auch solche Programme, beispielsweise in Taiwan (siehe hier oder hier). Die Autoren dieser Arbeiten schreiben, dass 89 Prozent der HBsAg-Träger unter den Kindern, auch HBsAg-positive Mütter haben. Dasselbe gilt für 96% der Kinder, die nach Einführung der Impfkampagne dennoch an Leberzell-Karzinom erkrankt sind. 
In der zweiten Arbeit heißt es: "Über den Zeitraum von rund 20 Jahren, in dem das nationale Hepatitis B Programm in Taiwan gelaufen ist, hat sich also die Leberkrebs-Rate bei Kindern auf ein Drittel reduziert."  Ein Teil des Effektes wird sicher auf die Impfung zurück zu führen sein, ein weiterer auf die allgemeine Verbesserung der hygienischen Situation in diesem Zeitraum. 


Aus der dänischen Studie haben wir gesehen, dass Frauen aus dem südasiatischen Raum tatsächlich das höchste Risiko einer chronischen Hepatitis B Infektion haben. Ich wäre also für eine Impfung der Risikogruppen. 
Wenn Wolfgang M. dafür plädiert, die Gesamtbevölkerung zu impfen, weil die bisherigen Erfahrungen gezeigt haben, dass die Impfung der Risikogruppen alleine nicht ausreicht, das Problem in den Griff zu bekommen, dann frage ich mich, worauf er sich dabei beruft. 
Die Erfahrungen in Taiwan können es nicht sein. Denn dort wird die Gesamtbevölkerung geimpft und das Problem lässt sich trotzdem nicht unter einen gewissen Pegel senken. 


Die gesamte einheimische Bevölkerung zu impfen und mit diesem Riesen-Aufwand - am Beispiel Dänemarks - eine einzige (!) Infektionsübertragung von der Mutter auf das Kind zu verhindern, das ließe sich mit einer Erfassung und Impfung der Risikogruppen genauso erreichen. 
Der gesundheitliche Effekt einer allgemeinen Hepatitis-B Impfung für alle Babys ist minimal und wurde in erster Linie zum Wohl der Impfstoff-Hersteller eingeführt. 


Dem gegenüber steht ein bislang kaum untersuchtes und deshalb nur schwer einschätzbares Sicherheits-Risiko der Hepatitis B Impfung. 
Gerade wenn der Vorteil einer Impfung so gering ist, müsste sicher gestellt und bewiesen werden, dass das Risiko der Impfung nahe null liegt. 
Davon kann jedoch keine Rede sein.

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